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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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bin bloß todmüde.«
    »Vielleicht sollten wir das ein wenig aufschieben?« Sie nickte zögernd mit dem Kopf in Richtung der geschlossenen Tür.
    »Unsinn«, wehrte Michael ab, »wir verschieben gar nichts, ich frage mich nur, ob ...« Er schaute sich um und ging im Geiste kurz die anderen Zimmer durch. »Egal«, sagte er schließlich, »ich dachte, vielleicht sollten wir in ein anderes Zimmer gehen, aber ... vielleicht ist es ja in dem kleinen Zimmer sogar besser, dort ist die Atmosphäre informell, und gerade das ...«
    »Wo soll ich dir das hintun?«, fragte Zila unentschlossen und lenkte Michaels Blick auf das kleine Aufnahmegerät in ihrer Hand, »ich habe Datum und Uhrzeit schon draufgesprochen, aber wo ... hast du kein Hemd an unterm Pullover?«
    »Nur ein Unterhemd«, entschuldigte sich Michael und fühlte sich kurzfristig wie ein kleiner Junge unter ihren praktischen Fingern, die seine Hüften umrundeten. »Am Jeansgürtel, anders geht es nicht«, stellte sie dann fest und krempelte den Rand des blauen Pullovers hoch, »hier, so, und in der Schublade ist auch noch eins, wenn er einverstanden ist, kannst du das auf den Tisch stellen. Du hast noch nicht mal was getrunken«, schalt sie ihn, »geh rein, und ich bring dir Kaffee, oder möchtest du, dass ...«
    »Bring mir einen, bring ihn nur, warum nicht, und einen für Herrn Efraim Benesch, und auch Wasser, aber was sag ich da, nicht nötig, in dem Zimmer sind doch alle Flaschen ...«
    »Einat hat noch mal angerufen«, berichtete Zila, während sie ihre Hand wieder nach der Türklinke ausstreckte.
    »Und? Ist sie wieder zu sich gekommen«, fragte er ungeduldig.
    »Nicht richtig«, sagte Zila, »aber es ist nur noch eine Frage von Stunden, hat der Arzt gesagt, ich dachte, ich sollte dort vorbeischauen.«
    »Noch nicht«, bestimmte Michael, »warte, bis es ihr ein wenig besser geht, jetzt würde dich ohnehin keiner mit ihr reden lassen.«
     
    »Ich sagte Ihnen doch schon«, hörte er Efraim Beneschs Stimme, als er die Tür öffnete, »ich kümmere mich nicht um den Garten, nur meine Frau, und wir haben einen Gärtner ...« Er unterbrach sich und erhob sich überstürzt, als die Tür aufging, und blickte Michael mit furchtsamem Gesicht entgegen. Auf dem Tisch, zwischen je zwei Mineralwasserflaschen und farbigen Pappbechern, unter einer alten Schreibtischlampe mit aufgesprungenem schwarzem Plastikschirm, lag das große Farbfoto eines Kletterrosenstrauchs. Kaffeeportionsbeutel und Plastiklöffel befanden sich in dem offenen Karton unter dem Tisch neben einem Mineralwasserkasten. Der Lampenschein fiel auf die Tischfläche und hob sie glänzend aus dem Halbdunkel des Raumes hervor. Durch die Schlitze des braunen, eisernen Fensterladens sickerte das schwache Licht der Herbstsonne. Die beiden saßen Seite an Seite vor dem Tisch, der dicht an der Wand stand und die untere Hälfte des Fensters verdeckte. Der Rahmen der verstaubten fleckigen Scheibe ließ Reste eines abgeblätterten grünen Anstrichs erkennen.
    »Herr Benesch ist nicht bereit, mit jemand anderem zu sprechen, und er will auch nicht, dass wir es aufnehmen«, berichtete Wachtmeister Ja’ir ohne jede Missbilligung. Er stand von seinem Stuhl auf und schloss den obersten Knopf seines blauen Hemds, dessen Ärmel bis zum Ellbogen aufgekrempelt waren (»Hat er sich vorher schon so angezogen, oder hat er das von dir gelernt?«, hallte Balilatis spottende Stimme in Michaels Ohren). »Ich habe ihn also inzwischen ein paar Sachen wegen diesem alten Rosenstrauch gefragt. Er sagt, also Herr Benesch sagt, dass sie seiner Kenntnis nach keinen solchen Strauch in ihrem Garten haben und auch nie einen hatten, und wie ihm scheint, auch nicht im Garten nebenan, aber er versteht nichts von Pflanzen.«
    Efraim Benesch bestätigte in mattem Ton: »Ich verstehe nichts davon, aber da ist keiner.« An Michael gewandt erklärte er entschuldigend: »Ich bin vor sechs Uhr früh gekommen. Ich warte schon seit über zwei Stunden, aber ich wollte nicht ... ich störe nicht gerne, und man hat mir gesagt ...«
    Michael nickte, und Ja’ir blickte ihn fragend an. Wieder nickte Michael mit dem Kopf. »Dann werde ich vielleicht Eli mit dem ganzen Material helfen ...«
    »Nein, nein«, wehrte Michael verkrampft ab, »nicht nötig, er kommt allein zurecht, frag Zila ... sie weiß genau, was zu tun ist ...« Ja’ir nickte gehorsam und verließ den Raum.
    Das Halbdunkel und die stickige Luft im Zimmer waren ihm in diesem Moment gerade recht.

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