Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
gefragt, wann sie Zohra zum letzten Mal gesehen haben«, schnitt ihn Balilati ab, »wieso nervst du uns also?«
»Das kann aber etwas damit zu tun haben«, widersprach Ja’ir.
Michael seufzte vernehmlich.
»O.k., ich werde mich an die Fakten halten in diesem Stadium«, steckte Ja’ir zurück, »die Mutter hat sie zum letzten Mal am Samstagabend gesehen, der Vater hat sie schon seit einer Woche oder länger nicht mehr gesehen, der Sohn, Joram Benesch, hat mir gleich am Telefon gesagt, dass er sie nur vor langer Zeit mal gesehen habe, sich aber nicht mehr erinnere, wann, er käme normalerweise spät und sähe gar nichts.«
»Das heißt – nichts«, vermerkte Balilati mit Genugtuung.
»Sie hatten auch etwas anderes im Kopf«, erklärte Ja’ir, »die Braut des Sohnes ist aus Amerika gekommen und ... das ist eine große Sache für sie. Er ist der einzige Sohn.«
»Weswegen bekriegen sie sich denn?«, fragte Michael.
»Das ist bereits Geschichte im Stadtviertel, es weiß eigentlich schon niemand mehr, es gibt welche, die sagen, dass es angefangen hat, als die Familie Benesch gerade erst dort eingezogen war und sich den Parkplatz unter den Nagel gerissen hat, und andere sagen, dass Ne’ima Baschari gleich beim Einzug Klara Benesch verflucht hätte und ... Zweimal haben sie die Polizei gerufen, aber es hat nicht aufgehört.«
»In jedem Viertel gibt es Nachbarschaftskonflikte, ohne dass es zu einem Mord führt«, bemerkte Eli Bachar.
»Nein!?«, fuhr Zila in die Höhe, »was redest du da?! Fast jeden Tag kommt es hier beinah zu einem Mord. Nur zum Glück ...«
»Beinahe ist nicht das Gleiche«, präzisierte Eli.
»Und was gibt es bei dir?«, fragte ihn Michael.
»Bei mir? Der Lebensmittelladen, der Mann dort hat sie am Donnerstagmorgen gesehen, früh, als er gerade aufgemacht hat, um halb sieben, sie hat Milch gekauft, Brot und ... warum, versteh ich zwar nicht«, fügte er verlegen hinzu, »Hygienebinden.«
»An das hat er sich alles erinnert? Nach einer Woche?«, wun derte sich Michael. »Der Laden hat ziemlich viel Betrieb, ich ver stehe nicht, wie ...«
»Zuerst einmal hat sie nicht gezahlt, sondern anschreiben lassen. Dann notiert der Laden genau, was man mitnimmt, außerdem hat sie irgendeinen Wein bestellt, ich hab’s mir aufgeschrieben, und dann hat der Ladenbesitzer noch gesagt, wenn Zohra am Morgen in den Laden kam, hat er gewusst, dass es ein guter Tag für ihn würde. Dass jedes Erscheinen von ihr ein wahres Fest war, er erinnerte sich auch daran, was sie anhatte und das Ganze –«
»Was? Was hatte sie an?«
»Schwarze weite Hosen und einen schwarzen Pullover«, erwiderte Eli Bachar.
»Warum hat sie wohl Hygienebinden gekauft?«, wandte sich Michael an Zila.
»Vielleicht hatte sie eine Blutung? Vielleicht hat ihre Mutter ... den Bindenvorrat kontrolliert, und sie ... sie hat so getan, als ob alles ganz normal ... als ob sie ihre Periode hätte«, sagte Zila nachdenklich, »oder vielleicht«, sie richtete sich mit einem Mal auf dem Stuhl auf, »vielleicht hatte sie vor, die Schwangerschaft abzubrechen? Ich habe mit dem Gynäkologen gesprochen, der das Pillenrezept unterschrieben hat, sie war seine Patientin bis vor einem Jahr, und seitdem hat er sie nicht mehr gesehen. Er sagt, dass sie die Antibabypille genommen hat, seit sie achtzehn war, und noch bevor sie das erste Mal zu ihm gekommen sei, habe sie schon vollen sexuellen Verkehr gehabt. Er versteht nicht, wie sie schwanger werden konnte, außer sie hat die Pille abgesetzt. Und auch das versteht er nicht, denn sie hatte furchtbare Angst davor, schwanger zu werden. Er hat sich auch sehr gut an sie erinnert«, schloss Zila, »sie muss schon echt was gewesen sein, diese Zohra.«
»Das haben wir auch auf dem Video gesehen«, erwähnte Balilati.
»Seit sie achtzehn war? Vollen sexuellen Verkehr? Mit wem?«, fragte Michael fordernd.
»Woher soll ich denn das wissen?«, protestierte Balilati.
»Im Bak’a, in der Gegend um die Bethlehemer Landstraße, wie viele Geheimnisse kann man da wohl hüten?«
»O.k., ich hab’s kapiert«, sagte Balilati beleidigt, »dann dauert es eben noch einen Tag, heute ist schon wieder Feiertag – kein Mensch ...«
»Ich will nur eine Antwort auf diese schlichte Frage – mit wem hat sie im Alter von siebzehn und achtzehn schon geschlafen, und vom wem ist sie schwanger geworden. Ein Mädchen, das im ganzen Viertel bekannt ist, das ist doch nicht aus der Welt.«
»Bei uns im Moschav«, sagte Ja’ir in
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