Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
nachdenklichem Ton, »gab es eine, die war wie ein Nonne, keiner hat ... ihr Haus war verschlossen, sie hat sogar mit niemandem geredet – und das im Moschav, wo alle alles wissen, schlimmer als im Kibbuz, und plötzlich war sie schwanger, und niemand hat es gewagt, sie danach zu fragen. Sie hat einen Sohn zur Welt gebracht, und keiner wusste, wer der Vater ist, nicht einmal –«
»Nicht schon wieder!«, stöhnte Balilati, »was ist das hier, Guten Morgen, Miss Marple?«
»Ich sage ja nicht«, fuhr Ja’ir fort, ohne Balilati anzuschauen, »dass es immer so ist, aber wenn eine Frau will – dann kann sie es geheim halten, und ganz besonders, wenn es eine einmalige Sache ist.«
»Einmalig, ha, und wie!«, regte sich Balilati auf, »die Pille mit siebzehn!«
»Wer erinnert sich schon, was sie mit siebzehn gemacht hat, vielleicht hat sie seit damals nicht mehr –«
»Und die Mutter weiß von überhaupt nichts«, murmelte Zila.
»O.k., o.k.«, Balilati hob seine Arme zur Decke, »ich gebe mich geschlagen. Egal. Sagen wir mal, du hast Recht. Sagen wir, einmal und plötzlich schwanger – mit wem ist sie dann aufs Dach gegangen? Ha? Lass die Geschichte mal beiseite, wir reden von jetzt. Hast du die Absicht zu klären, wer der Hurensohn war, oder nicht?«
Wachtmeister Ja’ir blickte Balilati gelassen an und schwieg.
»Das war’s, jetzt ist er stumm«, verkündete der Nachrichten offizier in siegesbewusstem Ton, »stumm wie ...« er blickte in die Runde und lächelte durchtrieben, »wie ein Gecko, ha?«
Siebtes Kapitel
Nur die Backform war in der Spüle zurückgeblieben von der ganzen Feiertagskocherei für den Abend, und nun, als ihre anderen Pflichten erledigt waren, begann Nesja, die Form auf Hochglanz zu scheuern. Im Küchenfenster rechts von ihr war es noch nicht völlig dunkel, doch in der Wohnung war es schon kalt, und sie fröstelte, während sie die rechteckige Emailform prüfend musterte, deren Reste völlig festgeklebt wären, hätte sie damit bis nach dem Abendessen gewartet. Diese Form reinigte sie lieber ganz genau, denn sonst zog ihre Mutter sie von hinten aus dem Schrank und zeigte ihr jedes Fleckchen. Wieder kratzte sie mit der Stahlwolle an den letzten Stellen, spülte die Krümel ab und trocknete die Form mit dem Geschirrtuch säuberlich, bis sie ihr Spiegelbild darin sehen konnte, rundlich und verschwommen. Sie stöpselte das Becken zu und spritzte Reinigungsmittel hinein, rieb den Boden mit einem Schwämmchen und spülte zweimal nach. Als sie den Wasserhahn zudrehte, hörte sie das Klatschen von überschwappendem Wasser – ihre Mutter schrubbte den Fußboden im Schlafzimmer – und fragte sich, ob sie nun ein bisschen Zeit für sich haben würde, bevor Mama sie zu einer neuen Arbeit rief. Durch das Fenster, auf der dämmrigen Straße, die sich geleert hatte, war noch immer ein Streifenwagen zu sehen, der am Haus der Familie Baschari parkte. Bei ihnen würden sie heute Abend nicht in der Laubhütte sitzen, dachte sie, wischte sich ihre Hände an den Hosen ab und machte sich auf Katzenpfoten auf den Weg zur Eingangstür.
»Wo gehst du hin? Hast du dich noch nicht gewaschen?«, erklang die dumpfe Stimme ihrer Mutter, vielleicht bückte sie sich gerade unters Bett. um dort zu nutzen: sogar in diesem Moment, in dem sie mit Eimer und Lumpen zugange war, hörte sie jedes Ge räusch aus dem vorderen Teil der Wohnung. Nesja öffnete schon die Tür, und als Rosi die Ohren spitzte und mit dem Schwanz we delte, drückte sie sie wieder auf ihren Platz zurück und sagte leise zu der Wand im Gang: »Ich brauche noch Schmuck für die Laubhütte.«
»Jetzt lass doch mal diese Laubhütte, die ganze Zeit die Hütte. Hast du die Küche fertig? Und du musst dich noch waschen«, hörte sie ihre Mutter rufen, als sie die Tür hinter sich schloss und zum Schutzraum entschlüpfte. In seiner Tiefe, zwischen den Schätzen, die sich in dem Karton häuften, bewahrte sie auch das Farbstiftset auf, das sie in dem Schreibwarenladen in der Innenstadt gefunden hatte – sie wagte noch nicht, es zu benutzen, denn jedesmal, wenn sie die Schachtel berührte, musste sie wieder daran denken, wie gefährlich es gewesen war, sie mitzunehmen, angesichts des Wächters, der dort am Eingang stand und sie nicht aus den Augen gelassen hatte. Erst als er eine Sekunde lang abgelenkt war, hatte sie die Schachtel in ihre Trainingshosen gestopft. Schreckliche Angst hatte sie damals überfallen, als sie den Laden verließ, und sie
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