Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
konkurrieren …«
»Kennen Sie den Text?«, fragte Rubin misstrauisch, und Michael nickte. »Sie haben ihn sicher vor langer Zeit gelesen«, sagte Rubin, »wenn Sie ihn jetzt lesen würden, sähen Sie das anders, Benni jedenfalls sah es völlig anders, in seinen Augen ist es eine Geschichte über … was weiß ich? Er hat dazu etwas geschrieben, ich muss es nur finden …« Er beugte sich über die Schublade. »Ich finde es noch«, versprach er, »in seinen Augen ist es generell eine Geschichte über das Erbe des Orients und wie die Zivilisation, die intellektuellen, akademischen Kräfte, die Ursprünglichkeit und die spontanen Quellen, den Geist und das Gefühl des Volkes unterdrücken, solche Dinge, er dachte, dass der Zionismus einen großen Fehler damit gemacht hat, dass er sich mit der westlichen Zivilisation identifizierte, aber wenn Sie mich ernsthaft fragen, so denke ich, dass das Mysterium, die Rätselhaftigkeit, die Tiefe der Geschichte ihn speziell unter dem visuellen Aspekt reizten … er wollte sich einfach mit der Größe messen, die darin liegt …« Seine Stimme erstarb zunehmend und er zuckte mit den Achseln, als gäbe er den Versuch einer Erklärung auf.
»Gestatten Sie mir«, sagte Michael langsam, »für einen Augenblick konventionell zu sein.«
»Be my guest«, lächelte Rubin freudlos, »möchten Sie Wasser?« Er erhob sich, ohne die Antwort abzuwarten, bückte sich und zog unter dem Schreibtisch eine Flasche Mineralwasser und ein paar Plastikbecher hervor und schenkte in zwei davon Wasser ein. »Das könnte erfrischend sein«, fügte er hinzu, und einen Moment darauf lachte er leise, »nicht das Wasser meine ich, denn ohne irgendeine konventionelle Frage hätten Sie mir die Stereotype über die Polizei zerstört.«
»Es ist von einem Menschen die Rede, der in den letzten Jahren mit der Frau zusammenlebte, die Sie Ihr ganzes Leben lang geliebt haben, eine Frau, die Ihre Frau war und Sie verließ, hat das Ihre Beziehung nicht beeinflusst?«
»Nein«, erwiderte Rubin, »diese Frage wiederholt sich in den letzten Tagen bald stündlich. Seit Tirza … nicht mehr ist, gab es keinen Polizisten, Arzt oder Kollegen, der sie nicht gestellt hätte, direkt oder andeutungsweise, es ist wirklich erschreckend, wie … wie phantasielos die Menschen sind. Wirklich, die Leute gehen von sich selbst aus, von ihrer eigenen Geschichte; sie können sich nicht vorstellen, dass andere Menschen, andersgeartete, in völlig anderen Mustern denken als den ihnen bekannten.«
»Keinerlei Spannungen?«
»Ich weiß es nicht zu erklären«, sagte Rubin müde, »ich habe keine Erklärung. Müsste ich eine haben? Ich habe beide geliebt, sowohl Benni als auch Tirza. Meine Ehe mit Tirza endete wegen Dingen zwischen uns, ich habe kein Interesse, jetzt darüber zu reden, und Sie haben es sicher ohnehin gehört … Ich habe gesehen, dass Sie mit Niva gesprochen haben, und sie hält das nicht direkt geheim«, fügte er bitter hinzu.
»Sie sprechen von dem Kind?«, fragte Michael.
»Davon wusste Tirza nichts, ich hoffe, dass sie es nicht wusste, ich wollte nur … ich wollte ihr Kummer ersparen«, antwortete Rubin, und seine Wangen schienen plötzlich einzufallen, als zöge sich sein Gesicht in einem Ausdruck von Schmerz in sich selbst zurück. »Aber es gab andere Dinge … du stehst vor deiner Frau, und immer wieder will sie wissen … sie hat gehört, gesehen, gespürt, und du antwortest, lügst … natürlich lügst du, was sollst du tun? Und am Ende gelangst du dahin, dass sogar, wenn gar nichts ist – geh hin und beweise, dass du keine Schwester hast … dass man dich fragt, wo du warst, mit wem … wann … bei einer Arbeit wie der meinen … erkläre mal, dass du nicht … ich bin schließlich ein Mann mit Vergangenheit … und Tirza, ich verstehe das … diese ganze Position von Frau-spioniert-treulosem-Ehemann-nach … es hat etwas Demütigendes, sie wollte diese Rolle, diese Position überhaupt nicht … am Ende haben wir uns getrennt, es gab keinen anderen Ausweg. Und dann … Benni hat sie immer geliebt … ich ziehe es vor … ich habe es vorgezogen, dass sie mit jemandem zusammenlebt, der sie wirklich liebt. Er ist ihr alle die Jahre treu geblieben, ohne Hoffungen oder Erwartungen, hat einfach keine Frau geheiratet … er hatte natürlich …«, seine Stimme erstarb, doch als Michael schwieg, nahm er seine Worte wieder auf. »Er hatte … man kann sagen, Frauen, Freundinnen, aber es lief nicht. Er wartete und
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