Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
habe … niemand denkt daran, es mir zu erzählen … als ob ich ein Fremder wäre, so behandelt sie mich, und ich, was will ich denn letztendlich? Ich kenne sie wie … wir stehen uns so nahe … wir …«
»Chefez«, sagte Natascha leise unter Betonung jeder Silbe, »ich hab dir tausend Mal gesagt, es gibt kein ›wir‹ mehr. Es gibt ich und es gibt du, jeder völlig für sich, das ist der Ort im ganzen Staat, für den am meisten gilt ›wir beide zusammen und jeder für sich‹, glaub mir, nicht nur wir … und wenn du … wenn dir wichtig ist …« Sie wandte sich wieder an Michael. »Er sagt, dass er mich liebt«, sagte sie mit einem Ton von Staunen, in dem unverhüllte Verzweiflung anklang, »und was sagt das? Was besagt das, jemanden zu lieben?«
Chefez ließ einen entsetzten Blick von ihr zu Michael wandern. »Natascha …«, warnte er, »Natascha …«
»Du sagst mir nicht, was … ich frage dich – was besagt das, jemanden zu lieben? Antworte mir, und Sie frage ich auch.« Sie sah Michael an. »Zwei erwachsene, kluge Männer, klüger als ich, was heißt das, jemanden zu lieben?«
Michael blickte Chefez an, der sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte und sich über die Stirn wischte. Es schien, als wollte er wirklich etwas antworten, doch dann sagte er nur: »Natascha … Natascha, sei so gut, Natascha …«
»Jemanden lieben, heißt das zu wollen, dass es ihm gut geht?«, beharrte Natascha. »Ja oder nein?« Chefez räusperte sich, sagte jedoch nichts. »Dann kannst du mir helfen, du kannst mir … ich will mit dieser Reportage auf Sendung, du weißt, dass ich gut darin bin, das ist das Einzige, das …«
»Hören Sie das?«, sagte Chefez erschüttert zu Michael und fasste Natascha am Arm, »hast du nicht begriffen, wie gefährlich das jetzt ist?« Nun senkte er seine Stimme zu einem Flüstern. »Nach allem, was … kannst du die Orthodoxen nicht sein lassen? Warum willst du dich mit denen anlegen?«
»Wie bitte?« Natascha schüttelte ihren Arm frei und schürzte die Lippen. »Wegen irgend so einem Schafskopf? Davor bist du erschrocken?«
»Nein, nicht nur«, verwahrte sich Chefez, »ja doch, das auch, das ist ziemlich beängstigend, in der Nacht … was denn? Ist das nicht beängstigend, so was zu finden … du kommst nach Hause und da baumelt vor dir so ein Kopf, über deiner Tür aufgehängt? Das ist beängstigend, was, vielleicht nicht? Aber nicht nur wegen dem Schafskopf, wegen Zadik … ich habe Zadik gesehen … glaub mir, Natascha …« Seine Stimme brach.
»Sie brauchen sich keine Sorgen machen«, sagte Michael ruhig, »Sie werden jetzt ohnehin zum Migrasch Harussim gebracht, und bis wir mit der Zeugenaussage fertig sind und bis … es wird ihr nichts passierten.«
»Jetzt?!«, entrüstete sich Chefez. »Jetzt müssen wir zum Migrasch Harussim? Wir sind mitten in … wir haben …« Er deutete mit dem Kopf in Richtung Cafeteria, wo Leute der Nachrichtenabteilung um einen langen, aus drei Formicatischen zusammengeschobenen Tisch saßen und stürmisch debattierten, »wir haben eine Sitzung, dringend, wir können nirgendwo sitzen, die Polizei ist im … das ist der einzige Ort, wo wir … es gibt ein paar Sachen, die … und ich habe noch nicht entschieden, wer die Nachrichten leiten soll, ich bin jetzt ganz allein … noch und noch und noch … Rubin ist nicht bereit, mich bei den Nachrichten zu ersetzen, nicht einmal vorübergehend, er sagt zu mir, er will keine Führungsaufgabe, und ich habe keine …« Michael zuckte die Achseln und gestattete ihm mit einer Handbewegung, in die Cafeteria zu gehen. Er betrat sie hinter ihm genau in dem Augenblick, in dem Niva schrie: »Wir können nicht in den Nachrichten melden, dass unser Freund verhaftet wurde, als … unter Mordverdacht? Sollen wir das sagen?«
»Jetzt reg dich schon ab«, knurrte Eres, »was plärrst du wie ein kleines Mädchen, verstehst du die Welt nicht?! Dann sagen wir eben nicht Mordverdacht, sagen wir nur, verhaftet, man muss darüber berichten, meinst du vielleicht, Kanal Zwei wird sich ganz höflich und freundschaftlich verhalten und nichts dazu sagen?«
Als sie Michael gewahrten, verstummten sie. Einige Sekunden waren alle Blicke auf ihn gerichtet, bis Niva, in feindseligem Ton, die Frage zu stellen wagte: »Stimmt es, dass ihr Benni verhaftet habt und er euer Hauptverdächtiger ist?« Ohne die Antwort abzuwarten, fügte sie hinzu: »Ich glaub’s nicht! Man muss wirklich total blind sein, um denken zu
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