Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
ich sag’s dir – man weiß nie, woran man sich erinnert und wozu es einmal gut ist … vor einiger Zeit hat nämlich eine Kollegin erzählt, dass sie ihrem Freund Socken mitgebracht hat. Aber was war? Er ist verheiratet, also hat er zu ihr gesagt: ›Wie kann ich mit Socken von Eddy Bauer zu Hause ankommen? Was soll ich sagen? Meine Frau weiß schließlich, dass ich nicht in Amerika war, also wer kann mir so was mitbringen?‹ Das hat sie dermaßen geärgert, diese Feigheit, dass sie beschlossen hat, dass er die Socken überhaupt nicht kriegt – drei Paar hat sie mitgebracht –, und sie hat sie stattdessen unserem Rami gegeben, kennst du Rami? Ganz zufällig habe ich diese Geschichte gehört, und ich wette mit dir, dass der, dem das Hemd gehört, garantiert noch eins und auch Socken von Eddy Bauer hat. Wenn du jemanden mit solchen Unterhemden, T-Shirts oder Socken findest … da hast du schon den ganzen … den Fall quasi auf dem Weg zur Lösung … verstehst du, was ich meine? Das kauft man nur in Amerika, als Geschenk für sich selber oder für jemanden, den man liebt. Merk dir’s. Fürs Leben. Und außerdem hab ich auch noch das hier gefunden!« Sie schwenkte ein kleines, versiegeltes Nylontütchen und zeigte ihm von nahem ein einzelnes hellgraues Haar. »Das war auf dem Hemd. Innen. Wenn sich herausstellt, dass das Blut ist und dass es vom Tatort stammt, dann kann dieses Haar … es kann der Schlüssel zum Ganzen sein.«
»Wer hat dieses T-Shirt gefunden?«, fragte Michael.
»Jigal hat’s gefunden, hinter dem Computertisch hier bei den Auslandskorrespondenten, zwischen Wand und Tisch geknautscht. Was sagst du nun?«
»Respekt, Jigal«, sagte Michael, und der Wachtmeister errötete.
»Wer war heute in diesem Zimmer?«, fragte Michael an Jafa gewandt weiter. »Habt ihr das schon geklärt?«
»Entschuldigen Sie, Herr Inspektor«, mischte sich Wachtmeister Jigal von seinem Platz an der Tür aus ein, »alle. Es hat sich herausgestellt, dass alle im Zimmer der Auslandskorrespondenten ein und aus gehen, nicht nur die Auslandskorrespondenten selber, schon auch, aber auch noch alle möglichen anderen … die Grafikerin … und wer den Computer braucht, jeder, der sich überhaupt bei den Nachrichten herumtreibt, kommt hier rein.«
»Also habt ihr nicht nachgeprüft, wer genau heute in diesem Zimmer war?«, fragte Michael.
»Sicher haben wir das, Herr Inspektor, aber sicher«, sagte der Wachmeister gekränkt, »aber …« Er zögerte und verstummte.
»Aber?«
»Aber sehen Sie sich die Liste an«, murmelte der Wachtmeister, zog ein Papier aus seiner Hemdtasche und entfaltete es. »Hier stehen so an die dreizehn Personen, die entweder selbst gesagt haben, dass sie hier waren, oder die jemand hereinkommen gesehen haben, schauen Sie … und wir sind noch nicht am Ende, es gibt noch mehr, die da herumgelaufen sind … wir haben erst angefangen, denn wir haben das Hemd gerade vor einer halben Stunde vielleicht gefunden … und außerdem, Herr Inspektor, sagt Jafa, dass jeder hier hereinkommen kann, das Hemd wegwerfen und sofort wieder gehen, ohne dass es jemand merkt.«
Michael studierte die Namensliste, die Zipi und Zivia, die Produktionsassistentinnen, Karen, die neue Sprecherin, und Chefez enthielt (»Was hat Chefez dort gemacht?«, fragte er den Wachtmeister, der sich am Kopf kratzte und sagte: »Ich weiß es nicht genau, Herr Inspektor, er sagt, er habe nur mal kurz hineingeschaut«), sowie Rubin (»Er kam, um Chefez zu suchen«), Elijahu Lutfi, den Korrespondenten für Umweltbelange, Almaliach, den Kameramann, ebenso wie Schraiber und Natascha, Niva und sogar Zadik, der um acht Uhr morgens vorbeigekommen war. In einigen Fällen hatte der Wachtmeister die Zeit, wann sie in dem Zimmer waren, in einer Art Tabelle notiert. Und es gab noch drei weitere Namen, die er nicht kannte (»Das ist der Auslandskorrespondent«, erklärte der Wachtmeister und tippte mit dem Finger auf den ersten, »und das … ich hab’s daneben geschrieben, was steht da? Die, die über … was schreibt sie gleich … wie nennt man das? Telenochwas … wo geschrieben wird, was davon in den Nachrichten vorgelesen wird? Und die … das steht da … sie erstellt Programme … ein Programm über Literatur oder so was, sie hat an einem Interview mit einem Schriftsteller gearbeitet, aber das ist für Freitag. Sie arbeitet gern ganz in der Früh, wenn sie noch niemand stört, sie hat mir eine Kopie von dem gegeben, woran sie gearbeitet hat, ich
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