Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
irgendwohin?«, fragte ihn Michael. »Ich hatte nämlich vor, Ihnen jetzt ein paar Fragen …«
»Das war Chefez«, erklärte Benisri, »er hat angerufen, ich soll auf der Stelle herunterkommen, ich muss … er hat gesagt, es sei was Dringendes.«
»Es dauert nur einen Moment«, sagte Michael, »wir können dann zusammen gehen. Bezüglich des Zimmers der Auslandskorrespondenten, wann genau waren Sie dort?«
Benisri, der gerade die Videokassette aus dem Gerät nahm, hielt inne und sah ihn verwirrt an. »Bei den Auslandskorrespondenten?«, wiederholte er erstaunt. »Wieso war ich dort? Wann? Wer erinnert sich daran?« Doch einen Moment später fiel es ihm ein: »Ach ja, doch, mit der Graphikerin, aber nur ganz kurz, gegen Mittag, jetzt erinnere ich mich, weil ich anschließend rausgerannt bin, ich bin gestorben vor Hunger, aber ich weiß nicht genau, wann … warum fragen Sie?«
»Wie lange waren Sie dort?«, fragte Michael.
»Vielleicht so an die zwanzig Minuten, ich habe mit der Graphikerin geredet und … nicht sehr lang.« Benisri legte die Kassette in seine Umhängetasche und ging auf die Tür zu.
»Und während Sie sich dort aufhielten«, fuhr Michael fort, während er Benisri zum Aufzug folgte, »sind da viele Leute hereingekommen?«
»Wie immer«, antwortete Benisri, während sich die Lifttür öffnete, »das ist nicht gerade ein privater Ort, das Zimmer der Auslandskorrespondenten, klar kamen welche rein, mir scheint, sogar der Auslandskorrespondent ist mal gekommen«, er lächelte freudlos über seinen eigenen Scherz, »und die Redakteurin der Auslandsnachrichten und … ich erinnere mich nicht, wir standen in einer Ecke.«
»Neben dem Computer?«, fragte Michael, als sie schon im Aufzug standen.
»Ja, woher wissen Sie das?«, wunderte sich Benisri. »Warum?«
»Und Sie haben nichts Besonderes gesehen? Etwas Außergewöhnliches? Merkwürdiges?«
Benisri zuckte die Achseln. »Ich habe gar nichts gesehen, weder was Merkwürdiges noch was Unmerkwürdiges. Wissen Sie, was ich heute alles zu tun hatte?« Der Aufzug hielt an, und Michael folgte dem Korrespondenten in die Cafeteria. Schon vom Gangende aus sah er Chefez am Eingang stehen. Der kommissarische Intendant hielt in einer Hand ein Glas Kaffee, in der zweiten den gelben Umschlag. Chefez bedachte Dani Benisri mit einem ernsten Blick und sagte: »Hör mal, Dani, ich hab hier was bekommen …« Erst da gewahrte er Michael und verstummte.
»Was? Was denn?«, fragte Benisri und sah auf den Umschlag.
»Ich …«, setzte Chefez verlegen an, lockerte seinen Krawattenknoten, öffnete die obersten Hemdknöpfe und strich sich mit der Hand über sein graues Brusthaar, das herauslugte (er trug kein Unterhemd, und Michael vermerkte bei sich, dass man seine Kleidungsgewohnheiten herausfinden musste). »Nicht hier, ich hatte nicht vor … aber wegen der Polizei haben wir keine Ecke für uns allein in dem Haus …«
Michael ignorierte den Vorwurf, der in seiner Stimme mitschwang, und sagte: »Es ist nicht so, dass es keine physische Möglichkeit zu Privatsphäre gäbe, Chefez, um es zu präzisieren – es gibt keine Privatsphäre mehr und aus. Ganz einfach. Hier ist heute früh der Intendant ermordet worden. Auch ich muss wissen, was in diesem Umschlag ist, denn vielleicht hat es mit unserem Fall zu tun.«
Chefez sah ihn unglücklich an. »Ich verspreche Ihnen, dass es in absolut keinem Zusammenhang steht«, sagte er mit schwacher Stimme zu Michael.
»Nu«, warf Benisri ungeduldig ein, »jetzt sag schon, worum es geht, und Schluss damit, was kann es denn schon sein?«
»Gut«, gab Chefez auf, »aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.« Damit reichte er Benisri den Umschlag.
Dani Benisri öffnete ihn und entnahm ihm ein Päckchen Fotos. Ohne jeden Argwohn betrachtete er das erste Bild, und es dauerte ein Weilchen, bis ihm aufging, was es war. Er stopfte die Fotos sofort in den Umschlag zurück, blickte sich um und sagte nur: »Großer Gott.«
»Genau«, sagte Chefez, und Michael bildete sich ein, das schwache Echo einer Gemütsbewegung, vielleicht sogar eine Art Schadenfreude, in seiner Stimme zu hören, »das hab ich auch gesagt. Das hat uns gerade noch gefehlt.«
»Kann ich?« Michael streckte auffordernd die Hand aus. Dani Benisri zog den Umschlag zurück. »Das gehört absolut nicht dazu, glauben Sie mir«, bat er.
»Es gibt nichts, was nicht dazugehört«, entgegnete Michael, »es tut mir sehr Leid, wirklich, aber ich muss alle Fotos
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