Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
Fünfundzwanzigjährigen?! Nur ein Jahr älter als Chefez’ große Tochter? Manche Leute machten vor nichts Halt. Und noch dazu am Arbeitsplatz – sich mit einem Mädchen einzulassen, mit dem man zusammenarbeitet –, niemals hätte er das gemacht. Auf alle Fälle nicht hier, vielleicht im Ausland, an einem Ort, wo niemand …
Wieder erklang der Lärm der Bohrmaschine, und eine Staubwolke drang durch die offene Tür des Nebenzimmers und verteilte sich im Nachrichtenraum.
»Sag ihnen, sie sollen aufhören«, befahl er Aviva, doch sie zuckte mit den Achseln und erwiderte: »Warum sollte ich? Seit einem Monat warte ich auf sie. Du wolltest eine Renovierung, du hast gesagt, das Zimmer der Auslandskorrespondenten muss renoviert werden, hast du das gesagt oder nicht? Seit einem Monat warte ich auf diese Renovierung – und heute, wo sie endlich anfangen, soll ich ihnen sagen, dass sie wieder gehen sollen? Wenn du das willst – sag es ihnen selber, ruf die Haustechnik an.«
»Hort jetzt auf!«, schrie Zadik. »Macht eine Pause – geht Kaffee trinken, und kommt in einer Stunde wieder!« Die beiden Handwerker standen im Eingang des Zimmers der Auslandskorrespondenten und blickten ihn an. Zadik versuchte, sein Geschrei abzumildern: »Habt ihr nicht gehört, was passiert ist?« Der Mann mit der Bohrmaschine in der Hand blickte ihn stumm an. »Habt ihr nicht gehört, dass eine hochrangige Mitarbeiterin von uns heute Nacht ums Leben gekommen ist?« Der zweite Arbeiter nickte und murmelte dem ersten etwas zu. Sie verließen den abgetrennten Raum, stellten sich an den Eingang zum Nachrichtenraum und warfen verstohlene Blicke auf die Leute an dem großen Tisch. Aviva eilte auf sie zu: »Kommt in ein bis zwei Stunden zurück«, rief sie und wandte sich mit vorwurfsvollem Blick an Zadik: »Bis ich sie erwischt habe, bis sie uns überhaupt Zeit eingeräumt haben, und jetzt verjagst du sie?!«
»Wir müssen endlich mit dem Line-up anfangen, es gibt alle möglichen Probleme und Änderungen für heute Abend«, sagte Chefez, und Zadik nickte zustimmend mit dem Kopf. Eres breitete demonstrativ das Blatt vor sich aus.
»Nur noch ein paar Worte«, bat Zadik und räusperte sich wieder, »ich muss euch noch etwas sagen.« Eres seufzte, und Chefez deckte das Blatt mit seinen großen Handflächen zu.
»Wir alle wissen«, sagte Zadik mit erstickter Stimme, »wie viel Tirza in ihre Arbeit investiert hat, wie ergeben sie ihr war, und jeder, der mit ihr zusammengearbeitet hat, weiß, dass sie weder Tag noch Nacht kannte. Und jetzt kann man sagen, dass sie literally ihr Leben gelassen hat für … wie man so schön sagt, auf dem Altar ihrer Arbeit. Ich brauche euch nicht zu erzählen«, Zadik blickte auf die roten Locken von David Schalit, dem Polizeiberichterstatter, der nicht weit von ihm entfernt saß und etwas in seinem Taschenkalender anzeichnete, »dass Tirza eine Künstlerin, eine Perfektionistin und auch ein integrer Mensch war. Ich muss euch diese Dinge über sie nicht erzählen – dreißig Jahre waren sie und ich zusammen in diesem Gebäude, schon als noch gar nichts hier war, waren wir da, sie und ich und Rubin und Benni Mejuchas, und auch du, Chefez, von Anfang an waren wir zusammen. Und nie habe ich von ihr ein schlechtes Wort über irgendjemanden gehört. Ihr wisst, Tirza … Tirza war ein Mensch …« Er verstummte und blickte sich um – noch nie hatte eine solche Stille im Nachrichtenraum geherrscht und noch nie war es vorgekommen, dass er einen kompletten Satz gesagt hatte, ohne dass jemand etwas Schlaues bemerkt hätte. »Aber einstweilen«, sagte er langsam, jedes Wort betonend, »können wir nicht alles anhalten. In den Nachrichten ist kein Platz für Trauer, wir haben diesen Luxus nicht, uns zu betrauern, insbesondere weil wir das staatliche Fernsehen sind.« Mit tränenverschleiertem Blick sah er in die Gesichter der Umsitzenden, die ihre Köpfe senkten. »Die Nachrichten kann man nicht anhalten«, sagte er feierlich, und dann verstummte er und ließ den Kopf in seine Hände sinken.
»Wir haben keine Wahl«, sprang ihm Chefez mit seinem tiefen Bass bei, fuhr sich mit der Hand über seinen glatt geschorenen Schädel und streichelte sein Bärtchen, »haben wir eine Wahl? Nein, wir haben keine Wahl. Wird jemand anderer an unserer Stelle die Arbeit machen? Nein. Keiner wird an unserer Stelle die Arbeit machen. Genau das meine ich damit – wir haben keine Wahl.« Wie lange, fragte sich Zadik geistesabwesend, würde er es
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