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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Jahr hatte ich eine Einführung in Agnon, ich habe es dir einmal erzählt, erinnerst du dich nicht? Es war ein Wahlkurs. Ich habe diese Geschichte, ›Ido und Einam‹, studiert.« Er blickte Eli Bachar ins Gesicht und fügte rasch hinzu: »Aber bis heute verstehe ich sie nicht. Eine schöne Geschichte, aber vollkommen unzugänglich. Sehr merkwürdig, voller Symbolik. Ich kann mich erinnern, dass ich sie auch dann nicht wirklich verstand, nachdem der Dozent die Symbole erklärt hatte, oder ich wollte genau genommen nicht das verstehen, was er dachte, verstanden zu haben. Aber ich weiß noch den Namen des Hauses«, er deutete auf das kleine Schild, »Greifenbach, und da gibt es ein Mädchen, das in der Nacht immer über die Dächer geht und die Lieder von Mo und Einam singt.« Er sagte nicht dazu, dass er sich auch sehr gut an Dr. Gamsu und Dr. Ginat erinnerte, den Büchersammler und den Folkloreforscher, ebenso wie an die Schilderung der Begegnung von Gemula mit Ginat, und vor allem erinnerte er sich an das furchterregende Ende. Noch immer konnte er das Echo der trüben Stimme des Professors hören, der mit großer Bewegung rief: »Was bewog Ginat dazu, dass er das Werk seiner Hände zunichte machte und in kurzer Zeit die Dinge verbrannte, für die er sich viele Jahre lang abgeplagt hatte?« Diese Frage hatte er sich im Laufe der Jahre immer wieder gestellt, wenn er mit eigenen Augen der Zerstörung gewärtig wurde, die die Menschen bei dem, was ihnen am teuersten war, durch eine einzige Tat anrichteten.
    Aus der Küche stürzte nun eine Frau in verblichenen Jeans, um die vierzig, die mit ihren auffälligen ergrauten Strähnen im Haar, einem zerknitterten, herben Gesicht und kleinen grauen Augen, die ihnen misstrauisch entgegenblickten, das absolute Gegenteil des jungen Mädchens war.
    »Das war wegen mir, ich bin schuld«, sagte sie ohne die mindeste Verlegenheit zu ihnen. »Arie Rubin hat mich gebeten, Sie zu rufen, aber ich wollte warten, bis …« Sie deutete mit dem Kopf in Richtung der geschlossenen Tür am Ende des breiten Ganges. »Benni ist noch nicht in der Verfassung, um … ich dachte, es kann warten«, schloss sie.
    »Gehören Sie zur Familie? Sind Sie seine Schwester oder so etwas?«, fragte Eli Bachar.
    »Mein Name ist Hagar«, sie schüttelte ihre Haare zurück und legte eine Hand an ihren Hals.
    »Hagar und was?«, beharrte Eli Bachar, während sich Michael umsah und dann näher an eine Reihe gerahmter Fotografien, alle schwarz-weiß, herantrat, die an der Wand gegenüber der Eingangstür hingen. Zwischen zwei Fotos von Männern in Uniformen, die dicht gedrängt auf dem dürren Boden saßen – mit erhobenen Händen, Nackenschutzausrüstung und den Blick aus zusammengekniffenen Augen direkt in die Kamera gerichtet –, und dem größeren Bild einer Gruppe Soldaten unbestimmter Nationalität, die müde neben Schützengräben knieten, stach ihm die große Farbfotografie einer Gruppe Jugendlicher ins Auge. Es waren drei Jungen mit kurzen Khakihosen und Khakihemden, deren lässig aufgekrempelte Ärmel die gebräunten Arme erkennen ließen, festen, hohen Schuhen und roten Kafijas. In ihrer Mitte stand ein Mädchen, mager und sonnenverbrannt, in kurzen blauen Hosen und weißem Hemd, dessen Finger mit den Quasten der um seinen Hals gebundenen weißen Kafija spielten. Das lange blonde Haar wehte im Wind, eine Locke berührte den Arm des größten der drei, der um die Schultern des Mädchens lag. Michael kniff die Augen zusammen. Nur den Großen, dessen Haarschopf einen Schatten über seine Stirn und sein breites Lächeln warf, erkannte er. Die beiden anderen und das Mädchen hatte er noch nie gesehen. Das Foto versetzte ihm einen Stich, denn es hatte etwas von Tagen, wie sie nie mehr sein würden; und was einmal gewesen und verloren gegangen war, war nicht nur die Jugendlust, die aus den Gesichtern vor dem Hintergrund der weißen Dünen strahlte. Arie Rubin war auch heute noch ein sehr gut aussehender Mann, doch in seinem Gesicht fand sich keine Spur mehr von der Lebensfreude, die sich in jenem Lächeln zu erkennen gab, ebenso wenig wie von dem kleinen Grübchen in seiner rechten Wange, das er auf dem Bild von vor über dreißig Jahren hatte. Sie wirkten ausgelassen wie eine kleine Freundesclique auf der jährlichen Expedition ihrer Jugendpioniergruppe; Michael besaß selbst solche Fotos, in kleinen und großen Gruppen, von jährlichen Ausflügen oder Expeditionen in den Negev oder den Galil. Sie schienen in

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