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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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etwa sein Jahrgang zu sein, auf alle Fälle seine Generation. Und das Mädchen – wie viel Anmut in ihrer schmalen Silhouette lag und in dem langen Bein, das sie nach vorn ausgestreckt hatte! Ihre Oberlippe war über den hervorstehenden Schneidezähnen geschürzt, und der rundliche kleine Sommersprossige zu ihrer Rechten hatte einen Lockenschopf und einen abgebrochenen Vorderzahn.
    »Sie sind die Produktionsleiterin von Benni Mejuchas«, sagte Eli Bachar im Ton von jemandem, der genau über Benni Bescheid wusste.
    »Produzentin, Assistentin und auch enge Freundin. Ich bin alles. Ein Gemischtwarenladen«, erwiderte sie trocken, als wollte sie klarstellen, dass sie in allem das letzte Wort hatte.
    Michael wandte sich ihr zu: »Wer sind die Leute auf diesem Foto? Das ist Arie Rubin, nicht?« Er deutete auf den Jungen auf dem Bild.
    »Ja, das ist Arie Rubin, rechts. Und die neben ihm steht, ist Tirza. Und hier«, sie näherte sich der Fotografie und berührte das Gesicht des kleinen Sommersprossigen, »ist Benni. Das ist Benni Mejuchas. Er hat sich überhaupt nicht verändert seit damals. Sie waren zusammen in der Armee. Das ist eine Aufnahme von einem Ausflug in den Negev, den sie zusammen nach ihrem Schulabschluss, vor der Einberufung, gemeinsam machten. Und da sind sie, als sie schon beim Militär waren.« Sie zeigte auf ein anderes Foto, auf dem drei Jungen in Uniformen, die Mützen unter die Schulterklappen gesteckt, mit staubigen Fallschirmspringerstiefeln zu sehen waren, die einander die Arme um die Schultern gelegt hatten. Rubin stand in der Mitte, rechts Mejuchas und links der dritte Junge von dem Gruppenbild im Negev.
    »Und wer ist das?« Michael kehrte wieder zu jener Fotografie zurück und deutete auf die Gestalt, die vor Tirza kniete, ein magerer, dunkler Junge mit einem breiten Lächeln von einem Ohr zum anderen, der seine Arme in clownartiger Pose seitlich ausgebreitet hatte, als wollte er alles umarmen.
    »Ihn kenne ich nicht so«, sagte Hagar unwillig, »ich habe ihn nie getroffen. Das ist Srul, sie waren so eine Clique. Die ganze Zeit zusammen. So eine Art drei Musketiere, die einander nicht von der Seite wichen. Sie sind in Haifa aufgewachsen, waren in Immigrantenlagern, im Reali-Gymnasium, bei der Pionierjugend der Fallschirmspringer, alle kannten sie.«
    »Und wo ist er?«, fragte Michael. »Wo ist Srul?«
    »Er ist in den Vereinigten Staaten. Ist sofort nach dem Jom-Kippur-Krieg weg. Er wurde verletzt, schwer verwundet, Verbrennungen, also haben sie ihn dorthin geschickt. Anfangs für plastische Operationen und Behandlungen, und danach ist er dann dort geblieben. Ich habe gehört, dass er neo-orthodox geworden sei. Dass er ein richtiger Ultrafrommer geworden sei.«
    »Und sie sind all die Jahre mit ihm in Kontakt geblieben?«, interessierte sich Michael. Hagar wollte ihm etwas erwidern, doch da öffnete sich die Tür am Ende des Ganges, und plötzlich wurden die grauen Bodenplatten erhellt, und erst jetzt schenkte er dem bemalten Fußboden Beachtung – wie ein langer, rechteckiger Teppich in Grün und Gelb – und den türkis gestrichenen Holztüren. Rubin stand auf der Schwelle. »Sie können eintreten«, sagte er zu Michael und an Hagar gewandt: »Vielleicht kannst du ihm irgendeinen Tee machen, er ist schon ganz ausgedörrt, und mit drei Stück Zucker. Damit er auch ein bisschen Energie gewinnt.«
    »Seit gestern hat er nichts angerührt. Nur etwas Wasser«, klagte Hagar. »Hat er endlich aufgehört mit der Wand? Ich kann das nicht ertragen, ich hatte Angst, er schlägt sich den Schädel ein.«
    »Hat er«, erwiderte Rubin knapp. »Jetzt ist er ruhig.«
    Rubin kehrte in den Raum zurück und ließ die Tür offen. Michael folgte ihm. Das Zimmer war geräumig, mit einer hohen Decke. An der Wand stand ein Ehebett mit zerwühlten Laken, auf dem ein magerer Mann saß, den Kopf an die Wand gelehnt. Er wandte nicht einmal den Blick nach Michael, als er in der Tür stand, reagierte auch nicht, als sich Rubin auf den Bettrand setzte. Michael betrachtete das kleine, runzlige Gesicht und die von Tränensäcken beschwerten blauen Augen, die sich in die Wand gegenüber zu bohren schienen – nicht nur erinnerte keine sichtbare Spur mehr an jenen Jungen, den rundlichen, sommersprossigen Zwerg auf dem Foto, man wäre auch nie auf die Idee gekommen, dass er und Rubin in etwa gleichaltrig waren. Jenseits des Bettes befanden sich zwei Bogenfenster, hinter den herabgelassenen Jalousien waren große Blumenkästen

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