Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
»Ich bin sicher, dass es Benisri nicht stört, wenn wir auch da sind, und das beschleunigt die Dinge ein bisschen, oder? Was meinst du, Aviva? Wir hatten um zehn vereinbart und inzwischen … die Menschen sterben hier wie die Fliegen …«
Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, was für dich so dringend ist, Rubin«, erwiderte sie und blickte Natascha kühl an, »die Leute sterben, und ihr macht euren Kram weiter, aber du kannst es probieren.«
Rubin legte die Hand auf die Türklinke, doch Zadik kam ihm zuvor, öffnete die Tür von innen. Er stand dort, die Hand auf der Schulter des Korrespondenten für Arbeit und Wirtschaft, und sein leicht gedunsenes, normalerweise rotes Gesicht war ungewöhnlich blass. »Rubin«, sagte er mit ernster Stimme, »wir haben noch ein Begräbnis, hast du’s gehört?« Rubin nickte. »Ein Unglück nach dem anderen«, fuhr er fort und trocknete sich die Stirn, »da siehst du, wie es ist, aber was sagst du zu unserem Benisri?« Er versuchte, seinen Worten einen feierlichen Ton zu verleihen. »Mitten in dem ganzen Unglück, das über uns gekommen ist, was sagst du zu ihm?«
»Alle Achtung«, erwiderte Rubin zerstreut. »Man sollte dem weiteren Verlauf nachgehen«, schlug er vor, »es ist keine Kunst nur in der Krise, mitten im Drama, es wäre interessant, was nachher aus ihnen wird, aber wirklich, Respekt für den Mut …«
»Kein Mut«, wehrte Benisri bescheiden ab, »das ist die Arbeit, von dir hab ich das gelernt … gerade von dir … und wenn du ›nachgehen‹ sagst – ich komme jetzt gerade vom Migrasch Harussim, Schimschis Frau und die anderen Frauen sind schon dort, ein höllischer Tumult … ich habe versprochen, mit der Ministerin zu reden, dass sie die Klage zurückzieht, sonst – sonst ist es eine kriminelle Straftat.«
»Schade um die Zeit«, erwiderte Rubin, »es ist kriminell, und das hat sie nicht mehr in der Hand. Entführung und Morddrohung – damit befasst sich schon die Staatsanwaltschaft, da hast du nichts mehr zu …«
»Ich hab’s versprochen«, entgegnete Benisri, »ich habe keine Wahl.«
»In welchem Krankenhaus liegt sie, die Ministerin? Im Hadassa? Dort ist auch Malka, die von Matti Cohen, ich komm mit«, sagte Zadik, »wart einen Moment auf mich, ich mach bloß noch hier fertig …« Genau in dem Moment, als Zadik auf Rubin und Natascha deutete und ihnen den Weg in sein Zimmer freigab, klingelte das Telefon auf Avivas Schreibtisch.
»Was? Wer?«, hörten sie sie fragen. »Man versteht Sie ganz schlecht, wie ist Ihr Name?«
Sie lauschte einen Augenblick stumm, und ihr Gesicht nahm einen erschreckten Ausdruck an. »Zadik, Zadik, wart mal kurz, da …«
»Stör mich jetzt nicht, Aviva«, warf er ihr, die Hand auf der Türklinke, zu. »Regle das allein, triff Entscheidungen, sei einmal dein eigener Boss, ja?« Und ohne ihr noch einen Blick zu gönnen, ging er hinein und schloss die Tür hinter sich. Aviva blickte auf den Telefonapparat und rief dann in die Muschel: »Hallo … hallo?« Doch die Leitung war tot. Sie legte sachte den Hörer auf, setzte sich und blickte sich um. »Noch keinen Krümel habe ich heute gegessen, kein einziger Bissen ist mir über die Lippen gekommen«, sagte sie in den momentan leeren Raum des kleinen Vorzimmers und entnahm ihrer großen Plastiktasche langsam eine Plastikbüchse, stellte sie vor sich auf den Tisch, öffnete sie und spähte hinein, als ob sie nicht wüsste, was sich darin befand. Anschließend seufzte sie, holte ein Karottenstreifchen und noch eins sowie zwei dünne Selleriestängel heraus, betrachtete sie betrübt, blickte dann stur vor sich hin und begann im Zeitlupentempo zu kauen.
Siebtes Kapitel
Es schien, dass niemand den Sendewagen wahrnahm, der seinen Weg ins Ramot-Viertel machte. Bevor Schraiber das Formular ins Handschuhfach steckte, hatte er noch einmal prüfend die Unterschrift gemustert, die er auf die Seite der Ausrüstungsanforderung gekritzelt hatte. Kameramann, Ton- und Beleuchtungstechniker zum Zwecke eines Filminterviews von Arie Rubin mit dem Sprecher des Hadassa-Krankenhauses in Ein Kerem. Das Interview hatte tatsächlich stattgefunden, war auch belegt, aber Schraiber hatte sich Zeit von einem anderen Interview abgezweigt – mit Dr. Landau, dem Arzt, den Rubin in einem Bericht über Ärzte, die durch ihre Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst ihrem Berufsethos untreu wurden, vorführen wollte. Dr. Landau hatte Arie Rubin und die Kamera hinter ihm in der Tür seines
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