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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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du, wie soll ich sonst die Zeit rumbringen, bitte wie, und noch dazu in diesem Viertel, weißt du, was das für mich heißt, hier zu sein?!«, warf er ihr vor.
    Vor einigen Jahren war sein Vater gestorben, und damals hatte sie gedacht, dass es nun leichter für ihn würde, dass er sich nun nicht mehr als religiös ausgeben müsse. (»Ich bin nicht zum Zweifel zurückgekehrt, ich hatte nie einen Zweifel«, sagte Schraiber immer zu jedem, der ihn fragte, was ihn dazu gebracht habe, die Kipa abzunehmen, und wie es kam, dass er säkular geworden war, »ich bin einfach ein Ketzer, ohne alle Fragen und Zweifel.« Aber trotzdem setzte er die Kipa auf, wenn er seine alte Mutter in Bnei Brak besuchen ging, und sogar sein ältester Bruder, der mit seiner Familie im Haus der Eltern wohnte, wusste nichts davon.)
    »Schraiber«, sagte sie und blickte in das Grünbraun seiner Augen, »ich … ich schulde dir eine Menge, überhaupt, nicht nur jetzt …«
    »Mach dir keinen Kopf«, wand er sich verlegen. (Er konnte es nie ertragen, wenn sie ihre Dankbarkeit ausdrückte, auch nicht, als er sie von der Hapalmachstraße zu seiner Wohnung in Rechavia gebracht hatte. Jetzt stieg in ihr die Erinnerung an den Geruch nach Schimmel und Feuchtigkeit auf, der in der Kellerwohnung hing, die er damals bewohnt hatte. Ein halbes vergittertes Fenster über Bodenniveau, in dem einen Zimmer brannte den ganzen Tag Neonlicht, und auf den Warmwasserrohren des Gebäudes, die durch den Keller liefen, hingen Unterhosen und Socken zum Trocknen.) »Wenn du mir bloß sagen würdest, wer dir überhaupt gesagt hat, dass …«
    »Ich hab’s dir gesagt – das verrate ich nicht, und frag nicht zu viel«, warnte ihn Natascha, »meine Quellen gebe ich nicht preis.«
    Schraiber legte den Kopf schräg und betrachtete sie amüsiert. »Ich habe Rechte, als dein Partner, oder?« Während er sprach, wechselte er auf den Rücksitz und brachte die Kamera in dem Spalt zwischen den Vorhanghälften in Position. Danach zog er wieder die Blechbüchse heraus, entnahm ihr ein kleines, rötliches Päckchen und Zigarettenpapier.
    »Jetzt?!«, protestierte Natascha. »Ausgerechnet jetzt?! Muss das sein?!«
    »Was regst du dich auf«, winkte er ab, »wer wird hier schon herkommen? Man hat dich reingelegt. Wir haben viel Zeit – kein Hund kommt hier vorbei, niemand wird kommen, die Rollläden sind zu, rein gar nichts, was soll ich machen? Nicht einmal Radio hören wie ein normaler Mensch kann man«, murrte er und befeuchtete den Rand des Papiers mit Speichel.
    »Klar ist jetzt eine tote Stunde«, hielt ihm Natascha entgegen, »denn alle sind in der Schule und bei der Arbeit, aber gerade jetzt …«
    »In der Jeschiva«, korrigierte er sie ungeduldig, »alle sind in der Jeschiva, die Frauen sind bei der Arbeit. Du hast keine Ahnung, wovon du redest, nicht mal, wie sie leben. Nichts weißt du«, beschwerte er sich und legte sich auf den Rücksitz.
    »Meine Quellen«, begann sie mit feierlichem Ernst (und in diesem Augenblick sah sie auch vor ihrem geistigen Auge die Frau, die mit ihr am Telefon gesprochen hatte, sie hatte eine heisere Stimme ohne jeden wahrnehmbaren Akzent, und im Hintergrund hatte Natascha das Weinen eines Kindes gehört und es irgendwie bedauert, dass ihre Quelle kein Mann war. In ihrer Phantasie ersetzte sie sie jetzt durch einen Mann, ausgerechnet mit einem französischen Akzent, es wäre wirklich besser, wenn es ein Mann gewesen wäre. In den Augen der anderen waren Männer authentischer. Männer handelten quasi im Namen irgendeines Prinzips, nicht wegen irgendeiner persönlichen Rechnung. So war das. Im Geiste sah Natascha ihn im dunklen Anzug, bärtig und mit schwarzem Hut, seinen Blick zur Seite wendend, während er mit ihr sprach; denn plötzlich war es nicht mehr am Telefon, wie bei der Frau mit der heiseren Stimme, die sagte »meine Liebe«, sondern auf dem Gang im Sender, quasi auf der Treppe auf dem Weg zur Cafeteria), »meine Quellen«, sagte sie nun zu Schraiber und dachte an den Mann, »haben mir ausdrücklich gesagt ›mittags‹, sie haben mich extra gewarnt, nicht am Abend zu kommen, denn dann sind alle …«
    »Die Quellen«, betonte Schraiber, »aha«, er gähnte, »was soll ich da noch sagen? Gegen die Quellen kann ich wohl nichts machen«, und er zündete sich die dünne Zigarette an, nahm einen tiefen Zug, hustete und hielt sie ihr hin.
    »Lass mich«, sagte Natascha aufgebracht, »lass mir bloß meine Ruhe vor dir.«
    »Natascha«, erwiderte

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