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October Daye - McGuire, S: October Daye

October Daye - McGuire, S: October Daye

Titel: October Daye - McGuire, S: October Daye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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und mir ist auch egal, was ihr für Gründe hattet«, sagte ich. »Das ist zu viel. Ich hole jetzt meine Leute, und wir verschwinden.« Damit drehte ich mich um, stapfte aus der Cafeteria und ließ die Tür hinter mir zufallen.
    Sie folgten mir nicht. Tybalts Gesichtsausdruck nach zu urteilen, würde er das auch nicht zulassen.
    Ich schaffte es bis in den Flur, bevor meine Knie einknickten und ich zu Boden sank, wo ich mit erschöpften Schluchzern zu weinen begann. Wie konnten sie es wagen? Wie konnten sie nur? Ich weinte, bis mir die Tränen ausgingen. Es dauerte entsetzlich lange. Erst als ich mir mit dem Handrücken die Augen abwischte, bemerkte ich, dass sich jemand an mich lehnte. Ich erstarrte, als mir bewusst wurde, dass ich gerade meine Kardinalsregel fürs Überleben gebrochen hatte: Ich war allein losgegangen. Es würde eine köstliche und ärgerliche Ironie darin liegen, wenn ich unmittelbar nach meinem dramatischen Abgang getötet wurde.
    Wer immer es war, ließ keine feindseligen Regungen erkennen, sondern lehnte nur an mir. Die meisten Psychopathen wollen Blut, bevor sie kuschel n – das gehört bei ihresgleichen zu den Charaktereigenschaften. Und nein, ich glaube nicht, dass sie weniger töten würden, wenn sie mehr liebkost worden wären. Ich glaube lediglich, dass sie, wenn sie erst mal zu töten anfangen, nicht mehr unbedingt darauf aus sind, dass ihnen jemand die Wange tätschelt.
    Ich blickte hinab. April kauerte mit geschlossenen Augen neben mir. Tränen kullerten ihr in unregelmäßigen Mustern über die Wangen. »April?«
    Sie öffnete die Lider nicht. »Ich hätte nicht gedacht, dass Mutter offline gehen könnte.«
    »Oh, April.« Ich biss mir auf die Lippe, wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Es war einfach, ihre Herkunft zu vergessen und sich stattdessen darauf zu konzentrieren, wie seltsam sie war. Vielleicht war sie nicht normal, aber Jan war ihre Mutter gewese n – wahrscheinlich die einzige, die sie je hatte. Dryaden wachsen nicht in Kleinfamilien auf. Ich begnügte mich mit den unverbindlichen, am wenigsten schmerzlichen Worten, die mir einfielen: »Es tut mir so leid.«
    »Sie sollte sich doch um mich kümmern, aber sie hat das Netzwerk ohne mich verlassen. Wie konnte sie das tun? Sie muss doch für mich sorgen .«
    »Ich bin sicher, sie hat gut für dich gesorgt.« Kaum hatte ich es gesagt, zuckte ich zusammen, als mir klar wurde, wie herablassend sich das anhören musste.
    April erkannte es auch, denn sie hob mit wilder Miene den Kopf. »Sie hat gut für mich gesorgt. Immer.« Kurz verstummte sie, ehe sie leiser fortfuhr. »Manche Leute haben gesagt, ihr läge nur etwas an mir, weil ich neu war, und sie würde mich vergessen, sobald sie etwas anderes gefunden hätte. Aber sie haben sich geirrt. Sie hat sich um mich gekümmert. Wenn ich verletzt oder krank oder verwirrt war, hat sie sich um mich gekümmert. Sie hat imme r … « Ihre Stimme verlor sich.
    »Was hat sie immer, April?«
    »Sie hat meine Systeme gewartet«, antwortete sie, und dann: »Sie hat mich geliebt.«
    Das überraschte mich mehr, als es der Fall hätte sein sollen. Ich wusste, dass April Jan hingebungsvoll zugetan war. Allerdings war mir nicht klar gewesen, dass sie begriff, was Liebe bedeutete. Leise sagte ich: »Ich glaube, ich verstehe.«
    »Wirklich?«, fragte sie und löste sich von mir. Es war schwierig, sich an die Emotionen in ihrer Stimme zu gewöhnen. Seit Jans Tod hörte sie sich immer lebendiger a n – irgendwie ›wirklicher‹.
    Ich wünschte, ihre Mutter hätte es miterleben können.
    »Ich denke schon.«
    »Ich hätte nie zugelassen, dass man ihr etwas antut.«
    »Ich weiß.«
    »Das hoffe ich«, sagte sie leise und schüttelte den Kopf. Die Tränen auf ihren Wangen verschwanden, als wären sie nie da gewesen. »Es sind nicht mehr viele Möglichkeiten übrig. Ich muss jetzt gehen, und Sie müssen nachdenken. Es ist wichtig .« Damit verschwand sie unter statischem Knistern und ließ mich allein.
    »April? April, komm zurüc k – was ist wichtig? April!« Ich starrte in die leere Luft und hoffte, sie würde wieder auftauchen und es mir erklären. Fehlanzeige. »Was sollte das denn?«
    Ich rappelte mich vom Boden auf, fuhr mir mit den Fingern der heilen Hand durchs Haar, schaute zur Tür des Futonraums, drehte mich seufzend um und ging zurück zur Cafeteria.
    Ich konnte nicht verschwinden. Ich wollte es, aber ich konnte nicht. Wäre es nur um Jan gegangen, hätte ich den Schlamassel

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