October Daye - McGuire, S: October Daye
bekommen das Beste aus Faerie und nehmen sich aus der Welt der Sterblichen, was sie wollen, wir hingegen erhalten nur, was sie uns zugestehen. Trotzdem erschien mir das Ausmaß ihres Grolls unüblich. Er grenzte an blanken Hass. »Darf ich fragen, weshalb?«
»Nein«, antwortete sie barsch. Dann fügte sie leiser hinzu: »Meine Mutter war eine reinblütige Coblynau, mein Vater ein Wechselbalg und ich ein Unfall. Ich bin gerade so sterblich, dass man mich in den Minen nicht haben will, und ich bin nicht sterblich genug, um für die Mischlingswerkstätten zu arbeiten. Haben Sie Lust, Ihr Leben damit zu verbringen, verarscht zu werden? Wenn ja, überlasse ich Ihnen gerne meines.«
Ich zuckte zusammen. »Sie haben recht. Das ist hart.«
Die Coblynau leben in tiefen Minen, tiefer als die der Zwerge und Kobolde. Als Wechselbalg war Gordan ungeeignet für ein Dasein in solchen Tiefen. Da sie andererseits mehr Fae als Mensch war, reagierte sie sicher zu empfindlich auf das viele Eisen der Wechselbalgwerkstätten, und in den Randgemeinden würde man ihr mit Argwohn begegnen. Wie man es drehte und wendete, es war ein hartes Los.
»Sie haben ja keine Ahnung.«
»Da irren Sie sich.« Sie tat mir wirklich leid, doch das hielt mich nicht davon ab, die Geduld zu verlieren. »Ich bin Amandines Tochter. Das wussten Sie, oder?« Als sie nickte, fuhr ich fort: »Ich bin bloß ein ordinärer Wechselbalg, nicht einmal so sehr Fae wie Sie. Allerdings eilt mir der Ruf meiner Mutter überall voraus, und ich versage jeden verdammten Tag dabei, ihm gerecht zu werden. Behaupten Sie also nicht, ich hätte keine Ahnung, wie schwer es sein kann, mit dem Blatt zu spielen, das einem von den Eltern ausgeteilt wurde. Meine Karten mögen anders sein, aber sie sind nicht viel besser.«
Wieder starrte Gordan mich finster an, wieder starrte ich genauso finster zurück, und sie war es, die als Erste den Blick senkte.
Ich entspannte mich geringfügig. Siege, auch kleine, sind gut. Ich bin kleinkariert genug, dass so etwas für mich eine Rolle spielt, und solange das der Fall ist, bin ich menschlich genug, um eine Chance zu haben. »Es ist in Ordnung, wütend zu sein«, sagte ich möglichst sanft.
Sie zuckte mit den Schultern. »Ist das so?«, fragte sie. Ich fasste das als ihre Art auf, von Gefühlen überwältigt zu sein. Die Coblynau zeigen von jeher nicht gern Emotionen.
»Ja, ist es«, bekräftigte ich. »Ich bin schon wütend, seit ich hier angekommen bin. Die Leute helfen nicht, obwohl sie es sagen, sie laufen allein heru m … Ich bin stinksauer.«
»Warum sind Sie dann noch hier?«
»Warum?« Ich zuckte mit den Schultern und entschied mich für die Wahrheit. »Sylvester hat mich gebeten herzukommen, und ihr braucht mich hier.«
»Ihnen kann es egal sein, ob wir sterben«, warf sie mir in bitterem Ton vor. Sie sah mich wieder an und machte die Augen schmal. »Sie sind nur hier, weil es Ihnen Ihr Lehnsherr befohlen hat.«
»Er hat es mir nicht befohlen, er hat mich darum ersucht. Und Sie irren sich.«
»Wie meinen Sie das?«
»Es ist mir nicht egal, ob ihr hier alle sterbt, weil es Faerie nicht egal ist. Mir liegt etwas daran, weil niemand sterben sollte, und « – ich hob gespielt melodramatisch den Finge r – »weil mir Sylvester in den Hintern treten würde, wenn es mir egal wäre.«
Es funktionierte. Sie verbiss sich ein Grinsen und wandte sich rasch ab, damit ich es nicht sah. H a – zu spät. Ich kann bisweilen überheblich sein, aber ich weiß das, und die eigenen Schwächen zu kennen bedeutet, dass man sie sich zunutze machen kann. »Es würde besser laufen, wenn wir nicht streiten«, meinte ich.
Sie wandte sich mir wieder zu. »Sie haben recht«, räumte sie ein. »Das würde es wahrscheinlich.«
»Sie müssen mich ja nicht mögen. Ich meine, April tut es auch nicht.«
Gordan schmunzelte. »April mag vieles nicht.«
»Ist mir aufgefallen. Warum ist das eigentlich so?«
»Sie ist distanziert.«
»Distanziert?«, fragte ich. Ich wollte, dass Gordan sich entspannte, aber ich hatte auch eine Aufgabe zu erledigen, und ein Teil davon bestand darin, so viel wie möglich über die verbliebenen Bewohner von Zahmblitz in Erfahrung zu bringen. Die meisten davon waren vermutlich in Ordnung, aber einer war ein Mörder.
»Früher war sie ein Baum. Sie tat Baumding e – Wasser trinken, Nährstoffe aus dem Boden aufnehmen, Fotosynthese betreibe n … all die guten Dinge.« Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück und fühlte sich
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