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October Daye - McGuire, S: October Daye

October Daye - McGuire, S: October Daye

Titel: October Daye - McGuire, S: October Daye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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sichtlich wieder auf vertrautem Terrain. »Bäume haben den ›Kreislauf der Natur‹ echt intus. Alles, was die Natur macht, ist in einem Baum vereint.«
    »Stimmt.«
    »Sie ist also ein Baum. Plötzlich ist sie kein Baum mehr, sondern ein Netzwerkserver. Darin ist es kalt. Das Gerät macht Serverdinge, keine lebendigen Dinge. Statt Sonnenlicht hat sie Elektrizität, statt Wurzeln Kabel. Das ist alles Zeug, das sie vorher nicht gebraucht hat. Also fängt sie an, diese neuen Dinge zu lerne n – zu lernen, wie man eine gute Maschine is t – , und sie vergisst Sonnenlicht, Wasser in ihren Wurzeln und Fotosynthese.«
    »Oh«, sagte ich, als mir eine Erkenntnis dämmerte. »Die Dryade ist also im Wesentlichen der Baum.«
    »Genau. Je mehr sie darüber weiß, eine Maschine zu sein, desto weniger weiß sie darüber, etwas anderes zu sein.«
    »Aber manche Leute mag sie immer noch.«
    »Nein, sie mag Jan . Wir anderen werden nur als Funktionen geduldet, die ihre Mutter braucht, um in Betrieb zu bleiben.« Gordan zuckte mit den Schultern. »Ist nicht schlimm. Wir haben uns an sie gewöhnt.«
    »Erscheint das nicht ein weni g … seltsam?«
    »Haben Sie schon mal jemanden kennengelernt, der eine Katze aus dem Tierheim bei sich aufgenommen hatte?«
    Ich blinzelte, etwas überrascht von der Wendung des Gesprächs. »Ja.«
    »Lassen Sie mich raten: Die Katze hat denjenigen vergöttert und alle anderen gehasst. Liege ich richtig?«
    »Ja«, bestätigte ich nachdenklich. Mitch und Stacy hatten einst ein Kätzchen aus dem Tierasyl geholt. Es war ein kleines, knuffiges, böses Fellknäuel, ständig mordlustig. Jedes Mal, wenn Schatten mic h – oder Cliff oder sogar Kerr y – sah, stürzte er sich auf die nächstbesten empfindlichen Körperteile und versuchte sie zu vernichten. Aber er hörte nie auf zu schnurren, wenn Stacy in der Nähe war.
    Zwei Jahre, bevor ich zurück nach Hause kam, starb er an Altersschwäche. Laut Mitch wurde er nie sanftmütiger; selbst als er schon zahnlos und halb blind war, versuchte er noch jeden in Stücke zu reißen, der zu Besuch kam.
    »So ist es bei April und Jan. April war das verlorene Kätzchen im Tierheim, und Jan nahm sie bei sich auf. Es ist glasklar, dass April ihr bedingungslos ergeben ist. Mich persönlich wundert eher, dass wir es manchmal schaffen, sie davon abzubringen, Jan auf Schritt und Tritt zu folgen.«
    »Also sind sie immer zusammen?«
    »Nicht immer. Aber wenn Jan mit den Fingern schnippt und jemandem befiehlt: ›Spring‹, dann kann man sicher sein, dass April zur Stelle ist, um dafür zu sorgen, dass er brav fragt, wie hoch.«
    »Ich verstehe.«
    »Tun Sie das?« Gordan musterte mich eindringlich. »Von Reinblütlern insgesamt mag ich nicht viel halten, aber hier herrscht viel Loyalität. Sie sollten aufpassen, auf wen Sie mit dem Finger zeigen.«
    Einer solchen Äußerung konnte man schwerlich widersprechen. »Ich muss langsam zurück. Sie sollten nicht allein hier sein.«
    »Ich bin ein großes Mädchen.« Sie hob ein kleines schwarzes Kästchen an. »Das ist mein Panikschalter. Greift mich etwas an, drücke ich darauf, und der Serverausfallalarm geht los. Machen Sie sich um mich keine Sorgen.«
    Ich runzelte die Stirn. »Warum hat nicht jeder so etwas?«
    »Wir haben die Dinger früher nie gebraucht.«
    »Jetzt brauchen wir sie.«
    »Ich werde sehen, was ich tun kann.« Sie sah mich teilnahmslos an und fügte hinzu: »Ich rühre mich nicht von der Stelle.«
    »Schon verstanden.« Seufzend stand ich auf. »Sterben Sie nicht.«
    »Habe ich nicht vor.«
    Ich entfernte mich in die Dunkelheit und spürte ihren Blick im Rücken, bis ich um die Ecke in den Hauptgang bog. Es behagte mir nicht, sie allein zu lassen, aber noch weniger behagte es mir zu bleiben, und ich würde nicht mit ihr streiten. Jedenfalls nicht, bevor ich Gelegenheit fand, Barbaras Unterlagen durchzusehen und herauszufinden, was genau sie bedeuteten.
    Da die Klimaanlage nicht lief, solange die Stromversorgung über die Generatoren erfolgte, war es außerhalb des Gebäudes tatsächlich kühler. Ich spähte kurz zum Mond empor, dann auf die Uhr. Fast vier, bald würde die Sonne aufgehen. Noch eine weitere Komplikation für die lange Liste.
    Vom freien Gelände draußen in die beengten Flure zu kommen glich dem Betreten einer Geisterstadt aus einem Science-Fiction-Film, ich wartete nur auf den Angriff der Aliens. Die Fenster zeigten widersprüchliche Ausblicke auf die Landschaft draußen, noch

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