October Daye - McGuire, S: October Daye

toll.«
    Connors Ankunft hatte zu einer aus dem Stegreif einberufenen Vollversammlung in der Cafeteria geführt. Nachdem April uns über sein Eintreffen informiert hatte, war sie verschwunden, um ihrer Mutter Bescheid zu geben, die natürlich Gordan gerufen hatte. Durch die jüngsten Ereignisse empfahl es sich für Außenstehende nicht, durch das Firmengelände zu laufen, ohne allen vorgestellt worden zu sein. Nur Terrie und Alex waren nicht aufgetaucht, was Jan dem bevorstehenden Ende von Terries Schicht zuschrieb. Quentin wirkte tief enttäuscht über Terries Abwesenheit. Mir wiederum hätte es vielleicht etwas ausgemacht, dass Alex fehlte, aber Connors Erklärung, dass er vorgehabt hatte, meinen Wagen zu nehmen, verdrängte diese Empfindung und ersetzte sie durch blanken Unmut.
    »Ich konnte ja nicht ahnen, dass du die Absicht hast, dein Auto in die Luft zu jagen!«, protestierte Connor.
    »Ich hatte nicht die Absicht! Es ist einfach passiert!«
    Connor blinzelte mich an. Ich blinzelte Connor an. Fast im selben Augenblick mussten wir beide loslachen. Es war einfach alles zu absurd. Leute starben, Quentins Mitfahrgelegenheit kam ohne Auto, ich war erschöpft und bereitete mich darauf vor, die Nachtschatten zu rufe n … ich hatte nur die Wahl zwischen Lachen und Weinen. Lachen erschien mir gesünder.
    Jan und Elliot wechselten einen Blick. Dann räusperte sie sich und fragte: »Muss ich mir jetzt Sorgen machen? Denn wenn Sie nun auch noch hysterisch werden, bekomme ich einen Schreikrampf.«
    »Ich glaube, das ist normal«, meldete sich Quentin unbehaglich zu Wort. »Ich meine, die beiden verhalten sich immer so.«
    »Schattenhügel muss ein faszinierender Ort sein«, stellte Elliot fest.
    Quentin seufzte tief. »Sie haben ja keine Ahnung.«
    Ich wischte mir Lachtränen aus den Augen und erlangte die Fassungwieder. »Es geht mir gut. Ehrlich. Connor ist zwar ein Trotte l – «
    »He!«
    »– aber er tut mir gut.« Ich kramte meine Brieftasche aus der Hosentasche und durchwühlte sie, bis ich Dannys Visitenkarte fand. »Tja, mein Auto könnt ihr nicht nehmen, weil es nur noch Asche ist, aber wir können einen nicht sterblichen Taxifahrer anrufen. Es wird nur eine Weile dauern, bis er hier ist.« Ich lächelte ein wenig gehässig. »Du kannst Sylvester ja erklären, warum wir auf seine Kosten ein Taxi aus San Francisco rufen mussten.«
    »Hat denn hier niemand ein Auto, das ich mir leihen kann?«
    »Ich bin mit dem Fahrrad hier«, sagte Jan entschuldigend.
    »Ich brauche mein Auto«, verkündete Elliot. »Ich wurde ersucht, die örtlichen Blumenläden zu plündern, und das ist mit dem Bus schwierig zu bewerkstelligen.«
    Connor blinzelte. »Die örtlichen Blumenläden plündern? Wofür?«
    »Das erkläre ich später«, sagte ich.
    »Toby will die Nachtschatten rufen«, warf Quentin ein.
    »… oder auch nicht«, fügte ich hinzu, als Gordan und Connor unisono ausriefen: »Was?!«
    »Das kann nicht dein Ernst sein.« Alarmiert kam Connor auf mich zu, hob eine Hand und strich über den Verband an meiner Wange. »Du bist bereits verletzt. Was, wenn sie dich angreifen?«
    »Die Luidaeg hat mir ein Ritual verraten, das sie davon abhalten wird, mich zu verletzen.«
    »Und das soll mich beruhigen?«, fragte er. »Sie ist steinalt und obendrein verrückt. Durch sie kommst du noch um.«
    Ich griff zu, packte seine Hand und hielt sie fest. »Ich vertraue ihr völlig. Es wird alles gut gehen.«
    Ich war immer eine gute Lügneri n – ich hatte viel Übun g – , und Connor belog ich schon länger als fast jeden anderen. Forschend starrte er mir ins Gesicht. Anscheinend beruhigte ihn, was er darin vorfand, denn er drückte sanft meine Finger und hob unsere vereinten Hände, um erneut über meine Wange zu streichen. »Du siehst beschissen aus, Daye.«
    »Du siehst selber nicht besonders toll aus.« Ich log schon wieder, aber diesmal fühlte ich mich zumindest nicht mies dabei. Connor O’Dell ist in Wahrheit zu vielen Dingen fähig, aber ›nicht besonders toll aussehen‹ gehört nicht dazu. Er war groß und schlank, dennoch gelang es ihm, ziemlich kompakt zu wirken. So wie Alex dem Klischee des kalifornischen Surfers entsprach, das man auf dem Titelblatt einer Zeitschrift finden würde, so verkörperte Connor das Echte: von den Schwielen an seinen Händen bis zum Schnitt seiner Haar e – lang genug, um gut auszusehen, aber kurz genug, dass die Wellen sie ihm nicht in die zum Ertrinken tiefen, dunklen Selkie-Augen spülen