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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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Regression ins Grundschulalter anspielte. »Ach so. Das war die Luidaeg, damit ich in Blind Michaels Reich hineinkomme. Er hat da so eine Art ›Du-darfst-höchstens-so-und-so-groß-sein-um-hier-durchzukommen‹-Barriere an seinen Grenzen.«
    »Ich habe dich fast nicht erkannt«, sagte er.
    »Ja, überhaupt«, sagte ich, »wie hast du mich eigentlich erkannt?« Zu meinem Verdruss war die Welt anscheinend voll von Leuten, die bei meinem Anblick mit keiner Wimper zuckten. Ich bin ja nicht sonderlich eitel, aber es sollte doch irgendwem auffallen, wenn ich schlagartig alles einbüßte, was ich seit meiner Vorpubertät an Boden gewonnen hatte.
    Er öffnete die Augen und lächelte. Es war höchst beunruhigend, so dicht an seinem Lächeln zu stehen. Zum Glück wirkte sich das Körpergefühl einer nicht mal Zehnjährigen einigermaßen erregungsdämpfend aus. »Egal wie du aussiehst, du riechst wie du.«
    »Ach«, sagte ich matt.
    »Hast du es jetzt hinter dir? Sind die Kinder in Sicherheit?«
    »Ich glaube schon. Aber ein Holing ist ja gewöhnlich kein Langzeitgast. Im Allgemeinen kommen sie wohl erst, wenn es Zeit zum Abtreten ist.« Ich zog meine Hand unter seiner hervor und trat einen Schritt zurück. »In diesem Sinne habe ich es wohl wirklich fast hinter mir.«
    »Gib die Hoffnung nicht auf.« Er schenkte mir noch ein Lächeln. Nicht ganz so strahlend, aber nicht weniger aufrichtig. »Ich hab schon erlebt, wie du das Unmögliche vollbringst.«
    »Tja, na ja.« Ich schaute weg, um ihm nicht zu tief in die Augen zu sehen. »Hast du denn gefunden, wonach du suchtest?«
    »Noch nicht.« Er stand auf und bückte sich, um mir sehr sanft das Haar aus dem Gesicht zu streichen. »Komm zu mir, wenn du erneut das Unmögliche vollbracht hast. Wenn es jemand schafft … mein Hof steht dir immer offen.«
    Ich fühlte, wie mir die Röte in die Wangen stieg. »Tybalt, was – «
    »Ich habe meine Antworten bekommen. Ich weiß jetzt, dass nicht du mich belogen hast.« Er zog die Hand weg und verschwand in den Schatten. Weg war er.
    »Tybalt! Wage es ja nicht, solch unverständliches Zeug zu verzapfen und mich dann damit stehen zu lassen!«
    Aber sein Abgang war vollzogen, er tauchte nicht wieder auf.
    Mistkerl.
    Ich drehte mich um und hinkte auf den Rand der Gasse zu. In diesem Punkt vertraute ich Tybalt völlig: Er hätte mich nie allein an seinem Hof zurückgelassen, wenn die Ausgänge blockiert wären. Und tatsächlich: Als ich die Mauer berührte, fühlte sich der Stein unter meinen Fingern wie Nebel an. Ich schloss die Augen und trat hindurch. Meine Bewegungen wurden mühsamer. Es fühlte sich an, als sei mein Knie ziemlich am Ende. Die Stege und Brücken in Lilys Mugel würden mir damit wenig Spaß machen.
    Der Nebel wurde dichter und kälter, als ich durch die Mauer ging. Ich ergriff eine Handvoll davon und knüpfte mir daraus eine neue menschliche Tarnung. Schließlich hatte ich keine Lust, mit einem Alien verwechselt zu werden, nur weil meine Mutter mir ungnädigerweise spitze Ohren vermacht hat. Zwar war es schon fast spät genug im Jahr, um als Halloween spielendes Kind durchzugehen, aber auch danach stand mir nicht der Sinn.
    Connor saß auf dem Gehweg, den Rücken an die Parkmauer gelehnt, als ich wieder auftauchte. Er sah mich näher kommen und stand auf, und ich war froh, dass meine Tarnung auch das Blut verdeckte. Selkies haben in ihrer Menschengestalt keinen magisch verstärkten Geruchssinn. Ich konnte ihn mühelos täuschen, wie es mir mit Tybalt nie gelungen wäre.
    Er wartete, bis ich nahe genug heran war, dann streckte er mir die Hand entgegen. »Tut mir leid. Ich war ein Idiot.«
    »Ja, das warst du.« Man soll nie einen Mann davon abhalten, seine Fehler einzugestehen. Ich ließ eine kleine Pause verstreichen und fügte dann hinzu: »Ich aber auch.«
    »Ist schon gut. Ich mach mir Sorgen um dich.«
    »Trotzdem warst du ein noch größerer Idiot als ich.«
    »Ich weiß.« Er seufzte. »Ich war bloß … wir haben dich schon mal verloren. Ich will dich nicht wieder verlieren.«
    Ich seufzte ebenfalls und ließ meine Hand in seine gleiten. Er mochte ein Idiot sein, aber immerhin lag ihm aufrichtig an mir, und das wiegt bei mir eine ganze Menge. Übrigens kam es darauf nicht mehr an. Bald würde alles vorbei sein.
    Er sah auf, und in seinem Blick schimmerte etwas wie Hoffnung. »Toby … «
    »Schon klar.« Ich lächelte dünn. »Wir müssen jetzt zu Lily. Könntest du versuchen, auf Idiotien zu verzichten, bis wir da

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