October Daye: Nachtmahr (German Edition)
mit den anderen. Manche Bande sind stärker als andere.
Cait Sidhe sind wunderschön. Sie sind schlank und anmutig und katzenhaft hübsch, und manchmal, wenn wir ein Kätzchen im Arm halten, vergessen wir, dass wir damit auch einen Löwen vor uns haben. Jeder Katzenhof ist ein Dschungel, und sei er auch aus Stahl und Beton. An seinem Hof aber herrschte Tybalt ohne Einschränkung, er war zumindest derzeit der unumstrittene König. Julie kannte die Regeln. Sie musste wissen, was ihr blühte. Trotzdem kämpfte sie noch immer und trat nach ihm, als er sie schüttelte. Vielleicht versuchte sie, glorreich unterzugehen.
Julie war nie sehr helle gewesen.
Wieder schnappte sie nach ihm, und diesmal schlug sie ihre Zähne in seinen Unterarm. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Man konnte förmlich sehen, wie Tybalts Geduldsfaden riss. Er fauchte gereizt und schmetterte sie gegen die Mauer. Sie kreischte ihm ins Gesicht, und er trat ihr blitzschnell in den Bauch. Ich zuckte zusammen. Die Cait Sidhe erholen sich nicht besonders schnell von Verletzungen. Schon mancher ihrer Erbfolgekämpfe hat tödlich geendet. Und da wundern sich die Leute, dass mich Tybalt so nervös macht.
Julie knurrte noch, aber ihre heiße Wut war verraucht und Entmutigung an ihre Stelle getreten. Sie kämpfte nur noch, um ihr Gesicht zu wahren. Tybalt ließ ihre Handgelenke los und packte sie mit der Linken an der Kehle, sodass seine Krallen gerade durch die Haut drangen.
»Haben wir’s jetzt?«, fragte er beinahe sanft.
Sie wand sich und biss fauchend in die Luft. Da schmetterte er ihren Kopf gegen die Mauer, dass es vernehmlich knirschte. Sie wimmerte, ihre Augen wurden glasig.
»Und haben wir’s jetzt ?« Die Sanftheit war aus seinem Ton verschwunden.
»Ja«, flüsterte sie und leckte sich die Lippen.
»Du hast meinen Gast angegriffen.«
»Stimmt.« Blut sickerte aus ihrem Mundwinkel, und so, wie sie an die Mauer gekracht war, konnte sie von Glück sagen, wenn sie keine schwere Gehirnerschütterung davontrug. Tybalt kann zuweilen ziemlich grob werden.
»Sie ist auf meine Einladung hier und steht unter dem Schutz deines Prinzen.«
»Sie hat Ross auf dem Gewissen!«, keuchte Julie mit wildem Blick. »Sie muss sterben.«
»Mag sein«, sagte Tybalt. »Das ist ein alter Streit, und ich hab ihn satt. Trevor? Gabriel?« Zwei kampferprobte Kater sprangen von der Mauer und nahmen beim Landen Menschengestalt an. Zernarbt, stämmig und riesig, wie Türsteher mit spitzen Ohren und Krallen – neben ihnen wirkte Tybalt beinahe zierlich. »Unsere Juliet hier ist müde. Bringt sie zu ihrem Lager und kümmert euch um sie.«
»Jawohl, mein Lehnsherr«, polterte Gabriel, packte zu und schloss eine Hand um Julies Oberarm. Sie fauchte nur matt. Es ist bestimmt nett, zwei Meter groß zu sein und nur aus Muskeln zu bestehen. Er machte sich nicht die Mühe, sie zu misshandeln, sondern zog sie nur auf die Füße. Seine Finger umfassten ihren Arm wie ein Schraubstock, und sie hing schlaff in seinem Griff wie eine Lumpenpuppe. »Komm, Julie.«
Verdammt. Sie war zwar keine Freundin mehr, aber einst war sie es gewesen. Ich missachtete den Schmerz in meinem Knie und richtete mich auf. »Tybalt?«
»Ja?« Er wandte sich mir zu und leckte sich beiläufig einen kleinen Spritzer Blut aus dem Mundwinkel. Ich war ziemlich sicher, dass es nicht seins war.
»Tut ihr nichts.«
Er blinzelte und starrte mich an. Zum zweiten Mal an einem Nachmittag hatte ich ihn aus dem Tritt gebracht, das dürfte schon rekordverdächtig sein. »Aber sie hat dich angegriffen.«
»Ist mir nicht entgangen.« Ich rieb mir die blutverschmierte Kehle und zuckte zusammen. »Bitte, mir zuliebe, ja? Tut ihr nichts.«
»Die Maßregelung meiner Untertanen ist meine Sache.« Da war ein warnender Unterton.
»Ich weiß. Ich habe hier nichts zu fordern. Deshalb bitte ich dich.«
Raj rappelte sich auf und stellte sich neben mich. »Onkel?«
»Ja, Raj?« Tybalt sah ihn an und lächelte freundlich. »Es tut gut, dich zu sehen.«
»Toby ist uns holen gekommen«, sagte Raj und wankte leicht. Über seine linke Wange zog sich ein Kratzer, und sein Haar war blutverklebt.
»Ich weiß. Ich habe sie darum gebeten.«
»Aber sie hat es getan .« Er sah von mir zu Tybalt und sprach hastig weiter. »Bitte tu Julie nichts, okay? Toby will das nicht, und ich vertraue ihr völlig.«
»Ich … verstehe.« Tybalt sah mich an, Belustigung im Blick. »Sind wir schon dabei, eine Meuterei anzuzetteln?«
»Nicht
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