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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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eine Hausherrin in den Gemächern ihres Herrn zur Rede stellen? Und ich bin hier noch die Hausherrin, so lange, bis die Jagd vorbei ist.«
    Wovon sprach sie da? Ich musste an Blind Michaels Hand auf meinem Scheitel und meinen Wangen denken, und plötzlich hatte ich schreckliche Angst, dass ich schon wusste, worum es ging.
    »Herrin, ich – «
    Er hätte besser daran getan, zu schweigen, nun war es zu spät. Ich hatte oft erlebt, wie Evening ein Donnerwetter austeilte, das war stets schwer beeindruckend gewesen, wobei sie immer wirklich gute Gründe gehabt hatte. Acacia hingegen tat es jetzt aus reinem Kalkül, mit nichts dahinter als Angst. Das erforderte Talent. »Ich bin halb geneigt, meinem Gemahl mitzuteilen, dass du mir das Recht streitig machst, mich in seinen Hallen aufzuhalten! Gewiss wird er äußerst erbaut sein zu erfahren, dass seine Wachen so sehr um seine Sicherheit besorgt sind, dass sie seine Gemahlin von seinem Bett fernhalten!«
    »Ach, bitte!« Der Wächter war in heller Panik, er tat mir regelrecht leid: Ich ahnte, was es hieß, wegen so etwas bei Blind Michael gemeldet zu werden. »Ich entschuldige mich tausendfach!«
    Es gab eine Pause. Als Acacia weitersprach, klang ihre Stimme etwas freundlicher. »Also gut. Sieh zu, dass mich niemand weiter stört. Ich habe keine Lust, zweimal in einer Nacht so einen Aufstand machen zu müssen.«
    »Jawohl, Herrin!« Ich hörte den Wächter davoneilen. Seine Schritte verklangen. Acacia hielt mich noch ein paar Minuten gegen die Wand gedrückt und wartete ab. Niemand schlug Alarm.
    Als sie schließlich von der Wand abrückte, schaute sie mir gramvoll in die Augen. »Nun weißt du es also.«
    »Warum – «
    »Darum.« Ihr Gram schwand und wich zynischer Bitterkeit. »Du eignest dich besser als Spielzeug. Jetzt komm schnell.« Sie packte meine Hand und ging wieder los, diesmal schneller. Der Wächter hatte wohl gehorcht, jedenfalls hielt uns niemand weiter auf. Die Tür nach draußen kam in Sicht, und Acacia begann zu rennen und zog mich mit. Wir waren beinahe da. Beinahe draußen.
    Finger hakten sich hart in meine Haare und bremsten mich schmerzhaft aus. Ich fiel hintenüber, schlug hart auf den Boden und schaute von unten in das höhnisch grinsende Gesicht der Piskie aus dem Kindersaal. Im Herrensitz hockte sie auf dem Rücken ihres Zentauren, eine Hand in seine Mähne gekrallt. Die andere Hand hielt sie hoch erhoben, Haarsträhnen von mir hingen zwischen ihren Schwimmhäuten.
    »Er sagte, du könntest versuchen wegzulaufen. Er sagte, wir sollten dich besonders im Auge behalten«, verkündete sie und warf Acacia einen kalten Blick zu. »Ihr könnt uns nichts tun. Er weiß, wo wir sind.«
    »Nein«, erwiderte Acacia müde und ließ die Hände sinken. »Ich kann euch nichts tun.«
    »Närrisches altes Weib«, sagte die Piskie. Dann packte diesmal der Zentaur meine Haare und zerrte mich auf die Füße. Ich biss die Zähne zusammen, um nicht zu schreien. Diese Befriedigung gönnte ich ihnen nicht. »Dies sind Seine Hallen, nicht Eure. Ihr habt hier keine Macht.«
    »Nein, nicht mehr. Die habe ich aufgegeben«, sagte Acacia und sah mich flehend an.
    Was sollte ich tun? Ich war bereits verdammt. Sie ebenfalls, aber ich brauchte nicht auch noch zu ihrem Leid beizutragen. Das würde sie allein besorgen. Ich machte mich schlaff, leistete keinen Widerstand und bat auch nicht um Hilfe, als Acacia sich abwandte und davonschritt.
    »Du kommst gerade recht«, sagte die Piskie. »Jetzt gehen wir.«
    »Gehen?«, fragte ich stumpf.
    Der Zentaur nickte und schubste mich, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Auf zur Jagd.«
    Sie zerrten mich durch den Gang, dann zur Tür hinaus und auf den freien Platz, wo ich meinen Handel abgeschlossen hatte. Etwa die Hälfte von Blind Michaels deformierten Kindern war schon da. Unter den aufmerksamen Blicken der dunklen Reiter tummelten sie sich unruhig. Es waren auch andere, noch unverwandelte Kinder da, aneinandergekettet wie Vieh. Die meisten weinten. Die Piskie stieß mich in die Menge, ich stolperte und konnte mich gerade noch abfangen, um nicht der Länge nach hinzuschlagen. Niemand schien unser Kommen bemerkt zu haben. Die Stimmung war beinahe festlich, wären da nicht die Schreie gewesen.
    Reiter bewachten alle Seiten des Platzes außer einer, wo eine lange Steinmauer ihn begrenzte. Doch da war eine Lücke in der Mauer, keine zehn Meter entfernt von mir. Die Piskie und ihr Zentaur trabten jetzt zur anderen Seite des Platzes,

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