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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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lassen.
    »Ich will das nicht«, flüsterte ich und merkte deutlich, wie schwach es klang. Er kam noch einen Schritt auf mich zu, und ich sank auf die Knie und starrte zu ihm hoch. Diesmal spürte ich keinen Schmerz. Entweder hatte ich schon mehr Blut verloren, als mir bewusst war, oder er war einfach so stark – und in beiden Fällen sprach so ziemlich alles dafür, dass ich geliefert war.
    »Warum nicht?«, fragte er und drückte seine Hand gegen meine Wange. Mein Sichtfeld rang darum, sich wieder in die Facettenvielfalt des Ritts aufspalten zu dürfen. Ich erhaschte flüchtige Blickausschnitte durch die Augen anderer und sah einen Wechselbalg verbluten, während sie huldigend vor ihrem Herrn und Meister kniete. »Du bist doch verloren ohne mich.«
    Oh, Eiche und Esche, Luidaeg, Sylvester, Quentin, es tut mir leid. Ich dachte, diesmal tue ich das Richtige. Ich dachte, es wäre wichtig.
    »Ich bin nicht … verloren … « Er füllte die Welt aus. Es gab nichts mehr außer Blind Michael und dem Nebel und den kurzen, zerhackten Bildern, die ich aus den Augen anderer empfing.
    »Oh, doch, das bist du«, sagte er. »Du bist verloren. Du kannst weder hin noch zurück, jetzt nicht mehr. Nun schließ die Augen, und lass mich dich nach Hause holen.«
    Nach Hause? Nach Hause. Es klang wundervoll, ich musste nur die Augen schließen, und er würde sich um alles kümmern. Er würde die Welt zu dem machen, was sie sein sollte. Ich wusste, dass ich blutete. Ich wusste, sein »nach Hause« war nichts als Verhexung und Lüge. Und doch klang es so richtig, und ich war so müde …
    Ich senkte den Kopf und erschauerte. Ich hatte nur noch die Kraft für einen Versuch. Wenn ich es verpatzte, war die Sache gelaufen. »Ja«, flüsterte ich. »Hol mich nach Hause.« Blind Michael richtete sich auf und nahm die Hand von meiner Wange, zuversichtlich, dass es ihm gelungen war, mich zurückzuerobern.
    Darauf hatte ich gewartet.
    Er trat beiseite, und ich hechtete vorwärts und tastete im Dreck. Der Boden hatte keine Oberfläche, er bestand nur aus Nebel. Hinter mir lachte er. »Was treibst du da, kleiner Wechselbalg? Was hoffst du denn zu finden?«
    Meine Hand traf auf etwas, und ich packte blindlings zu, voller Hoffnung. Ein wilder, kurzer Schmerz zuckte durch meine Stirn, und Blutgeschmack füllte meinen Mund, dann loderte meine Kerze auf, brannte leuchtend blau und strahlte wie ein Stern durch den Nebel, der sich rasch aufzulösen begann. Bingo! Ich erhob mich und baute mich vor Blind Michael auf, mit der freien Hand wischte ich mir das Blut aus den Augen.
    Jeder sichtbare Zentimeter von mir war voller Blut. Es lief aus den fast nicht mehr zählbaren Schnitten, die meinen Körper bedeckten. Ich hatte Mühe, mich zu konzentrieren, und das lag nicht daran, dass er irgendetwas machte. Der Blutpfad verlangte seinen Tribut. »Ich gehöre nicht zu dir«, fauchte ich.
    Er sah beinahe ängstlich aus. Klug von ihm. Sylvesters Schwert lag zwischen uns im Staub. Er machte einen Schritt darauf zu, und ich trat ihm entgegen, die Kerze hielt ich wie einen Schild vor mich. »Glaubst du wirklich, dass du mir drohen kannst?«, fragte er.
    Es wäre überzeugender gewesen, wenn seine Stimme nicht gezittert hätte. »Ja«, sagte ich laut und lächelte. Mein Mund war voller Blutgeschmack, und zur Abwechslung war das ausgesprochen beruhigend. Solange ich das Blut schmecken konnte, würde er mich nicht kriegen.
    Blind Michael machte einen Satz nach vorn und suchte an das Schwert zu kommen. Er war viel näher dran als ich, deshalb versuchte ich gar nicht erst, ihm zuvorzukommen, stattdessen trat ich rasch einen Schritt zurück und fischte mein Messer aus Acacias Schoß. »Na, komm schon, Michael. Es ist ja nicht mal ein fairer Kampf. Du bist viel älter und stärker als ich. Na los, mach mich nieder!«
    Er umklammerte Sylvesters Schwert, und das Unbehagen stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Wann hatte er sich zum letzten Mal ernstlich gefürchtet? Die Reiter tuschelten in der Dunkelheit, doch nicht einer trat vor, um ihm beizustehen. Er musste allein gegen mich kämpfen. »Du stehst zu weit unter mir«, sagte er und versuchte, sich zuversichtlich anzuhören.
    »Klingt nicht, als würdest du daran glauben«, gab ich zurück. Ihn zu hänseln machte Spaß, aber ich hatte keine Zeit für Spaß. Ich erschlaffte so weit, dass seine geborgten Augen ihm das Bild übermittelten, ich sei nicht kampfbereit, dann sprang ich ihn an.
    Es ist schwer, gegen etwas zu

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