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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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Augen die Kindheit sterben. Sein Blick flehte mich stumm an, für ihn zu antworten. Nun verstand ich auch, warum die Luidaeg gesagt hatte, wenn er die Wahl traf, würde das ihren Preis entrichten. Ob er Katie aufgab oder nicht, er zahlte mit seiner Unschuld. Es gibt Entscheidungen, die man mit sich selbst ausmachen muss, wenn man nicht den Rest seines Lebens damit verbringen will, wachzuliegen und sich zu fragen, wann die Schatten so derartig finster geworden sind. Wenn er sie bei sich behielt, zwang er sie damit, zu ihm zu gehören, bis sie starb. Bei einer solchen Entscheidung gab es kein Zurück: Sie wäre für immer sein, es würde keine Rolle spielen, was sie selbst vielleicht gewollt hätte. Doch Liebe ist endlich, und Leute verändern sich, und es ist keine gute Idee, einer Person aufzuerlegen, dass sie einen lieben muss, solange sie lebt.
    Katie war jung und unschuldig genug für Blind Michaels Lande. Würde sie eine weitere Entführung durchstehen?
    Liebe besitzt große Macht. Sie macht uns alle gleich, indem sie uns alle menschlich macht – kurz und wundervoll. Die erste Liebe reißt die tiefsten Wunden und schmerzt am meisten, und wenn sie dich in ihren Fängen hat, kannst du dir nicht vorstellen, dass es je endet. Ich selbst war noch ein Kind, als ich mich zum ersten Mal verliebte. Ich kam darüber hinweg, aber das brauchte Zeit, und Zeit war etwas, das Quentin und Katie nicht hatten.
    »Ich … « Quentins Stimme fiel unbeholfen in die Dunkelheit. Er zitterte. Es hatte mal eine Zeit gegeben, da ich ihm nicht genug Menschlichkeit zumaß, um so zu leiden.
    »Quentin – «, setzte ich an. Die Luidaeg brachte mich mit einem Blick zum Schweigen. Dies war nicht mein Konflikt, das war es nie gewesen.
    Er musste es allein schaffen.
    Er stand noch ein Weilchen reglos da und zitterte. Dann sackten seine Schultern besiegt herab. »Ich verstehe«, sagte er und ging auf sie zu.
    Niemand von uns sprach ein Wort, als er zu Katies Füßen niederkniete. Für einen Sekundenbruchteil sah ich ihn in der ganzen schrecklichen Pracht des Erwachsenenalters. Sie sind schön und schrecklich, die Lehnsherren unserer Lande, maßlos schön und maßlos schrecklich. Doch als ich jetzt Quentin betrachtete, wurde mir klar, dass er auch die Gabe besaß, gütig zu sein. Wann hatte das angefangen? Oder vielmehr, viel wichtiger: Wie konnten wir sicherstellen, dass es nie, niemals aufhörte?
    »Katie«, sagte er und fasste schüchtern nach ihrer Hand. Vielleicht war es die Langsamkeit seiner Annäherung, vielleicht die stille Resignation in seinem Tonfall, jedenfalls entzog sie sich ihm diesmal nicht. »Ich wollte nie, dass dir wehgetan wird. Das wollte ich wirklich nicht.« Diese Worte gehörten ganz und gar zu seiner Kindheit: Sie erflehten Vergebung und dachten nicht über die Strafe hinaus. »Ich dachte, es könnte gutgehen. Ich dachte, ich könnte dich lieben, ohne dir wehzutun. Ich dachte, wir könnten anders sein. Es tut mir leid.«
    Katie starrte bloß weiterhin in die Ferne. Wo immer sie war, es war ein Ort jenseits von einfachen Worten. Quentin verstummte und sah sie ein Weilchen an, fast gierig, als versuchte er sich jede Einzelheit einzuprägen. Vielleicht tat er das ja. Für immer ist eine lange Zeit. Man muss sich die Umrisse der kostbarsten Erinnerungen ins Herz brennen, sonst fangen sie irgendwann an zu verblassen, und manchmal ist es noch schlimmer, etwas zum zweiten Mal zu verlieren, als es beim ersten Mal war.
    »Ich wäre bei dir geblieben«, flüsterte er. »Wenn du alt geworden wärst, wenn du krank gewesen wärst, wäre ich bei dir geblieben. Ich hätte … «
    Er brach ab und schüttelte den Kopf. »Nein. So wäre es nicht, und so wird es nie sein. Ich habe dich geliebt. Das genügt.« Er sah die Luidaeg an, als bäte er um Erlaubnis, und sie nickte. Bitterlich weinend beugte Quentin sich vor und küsste Katie ein letztes Mal.
    »Wenn die Sonne wieder steigt, sind wir fertig und bereit«, sagte die Luidaeg und fuhr mit der Hand durch Katies Haar. Quentin zog sich etwas zurück und schaute zu. »Dann erscheint das Morgenlicht und bring Faeries Höf’ in Sicht, für der Königinnen Tanz auf taugrünem Wiesenglanz. Menschenkind, lauf ganz schnell fort, Faevolk kommt an diesen Ort.«
    Etwas Uraltes, Wildes und Kaltes brauste durch die Dunkelheit der Wohnung. Ich schauderte, als es mich streifte, und fühlte mich kurz an meine eigene Wechselbalg-Entscheidung erinnert, vor langer Zeit, als ich Eden aufgab und die Wildnis

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