October Daye: Nachtmahr (German Edition)
jenseits wählte.
Katie blinzelte, dann weiteten sich ihre Augen, als der Bann sie ergriff. »Quentin?« Ich fragte mich, was sie sah, wenn sie ihn anblickte. Was für Ausweichmanöver ihr Geist ersann, um all das auszublenden, wovon sie verdammt genau wusste, dass es wirklich da war. Spielte es eine Rolle? Er hatte sie aufgegeben. Nun ging sie Faerie nichts mehr an.
Quentin schaute die Luidaeg an, und sie nickte fast unmerklich ihr Einverständnis. Er wandte sich wieder Katie zu und hielt ihr seine Hand hin. »Komm. Ich bringe dich nach Hause.«
»Nach Hause – ja, bitte. Ich würde gern nach Hause gehen.« Sie stand auf und ließ sich von ihm in den Flur führen. Der war jetzt deutlich kürzer, binnen Sekunden erreichten sie die Haustür.
Quentin sah sich ein einziges Mal um, sein Gesicht wie eine Maske, ehe sie hinaus ins Tageslicht traten. Das Tageslicht der Sterblichen. Die Sonne hat keine Liebe zu unseresgleichen. Und was jetzt kam, wusste ich bereits: eine ganz schlichte Geschichte. Er würde mit ihr zur Ecke wandern, dann ein Taxi anhalten, sie nach Hause bringen und dort auf der Türschwelle absetzen, wie es die Fae seit Anbeginn der Zeit mit ihren menschlichen Liebhabern getan haben. Ob im Guten oder Schlechten, mit der Welt von Faerie würde Katie nie wieder in Berührung kommen. Sie war frei. Alles, was es gekostet hatte, war Quentins Herz.
Ich ging durchs Zimmer, setzte mich zur Luidaeg und schaute sie an. Sie schaute lange stumm zurück, dann wandte sie sich ab und sagte: »Ich hab’s versucht, Toby. Das hab ich wirklich. An beide Welten gleichzeitig zu glauben war zu viel für sie. Es ging nur unsere Welt oder ihre, und es war nicht an mir, diese Wahl für sie zu treffen.«
»Ich weiß«, sagte ich. Nur zu wahr. Ich hatte nicht für Cliff wählen können, auch nicht für Gillian, und die menschliche Welt hatte sie mir beide genommen. Es zu verstehen machte es nicht weniger schmerzhaft.
»Du bist zurückgekommen.«
»Ich bin eben wie ein Bumerang.«
»Ich habe dich auf den Blutpfad gebracht.«
»Ja, das ist mir durchaus nicht entgangen.«
»Mein Bruder … ?«
»Ist tot.«
»Verstehe.« Sie hob den Kopf und sah mich mit schwermütigen, uralten Augen an. »Es gab einmal eine Zeit, da hätte ich dir das Herz aus dem Leib gerissen und es vor deinen sterbenden Augen verspeist, wenn du mir so etwas berichtet hättest.«
»Ich weiß.«
»Nur dass du nicht gestorben wärst, denn ich hätte dich leer und ohne Herz auf dem Moor ausgesetzt, damit du dort für immer blutest und jedem als Warnung dienst, der meiner Familie zu nahe kommt. Ich hätte dich vernichtet.«
»Auch das weiß ich.« Ich hatte keine Angst vor ihr. Wann hatte ich aufgehört, Angst zu haben?
»Das war einmal.«
»Vor langer Zeit.«
»Ja.« Sie schwieg und schaute auf ihre Hände hinunter. Die ausgeprägten Klauen an ihren Fingerspitzen fuhren ein und verwandelten sich in normale menschliche Fingernägel. »Wie ist er gestorben?«
»Ich habe ihn mit Silber und Eisen und dem Licht einer Kerze getötet.« Ich schauderte, als mich die Erinnerung packte, und versuchte das Gefühl zu ignorieren, dass ich Blut an den Händen hatte. Blut hat große Macht. Ein Zipfel von mir war für immer sein. Die Messer waren aus Eisen und Silber gewesen, doch das war nur der Schlussakt der Vernichtung, nicht die Gänze der erforderlichen Mittel. Er starb durch Blut und Feuer und Glauben, durch Rosen und das kühle Flackern von Kerzenlicht. Meine Klingen waren nur ein Nachtrag, eine scharfe Mahnung, dass die lange wilde Jagd nun vorüber und die Zeit gekommen war, sich niederzulegen und Ruhe zu finden. Zeit, die Fenster der Kinderstube endgültig zu schließen. Zeit, erwachsen zu werden.
Die Hand der Luidaeg auf meiner Schulter holte mich zurück. Ich stutzte, blinzelte zu ihr hoch, und sie lächelte. »So sollte es auch sein. Das Silber war sein Recht, und das Eisen wird den Mistkerl zwingen, tot zu bleiben. Merk dir das, man kann Erstgeborene nur töten, wenn man beide Metalle benutzt. Denn sie sind zu sehr Fae für reines Silber und zu stark für Eisen allein. Wer dir was anderes erzählt, lügt. Das hast du gut gemacht, Toby. Wenn es denn schon jemand tun musste, bin ich froh, dass du es warst.«
»Oh«, sagte ich und hielt inne. Es gab nichts weiter zu sagen. Ich war immer so stolz auf mein Geschick im Umgang mit Worten, doch nun ließen sie mich im Stich. Und das hatten sie in letzter Zeit des Öfteren getan.
Die Luidaeg seufzte, legte
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