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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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sprichwörtlichen Brutalität der Cait-Sidhe-Politik einiges hieß. Dabei hätte er nicht so eine Nervensäge sein müssen, nur sah er leider haargenau so gut aus, wie er es sich einbildete. Die schwarzen Strähnchen in seinem braunen Haar erinnerten an die Streifen eines getigerten Katzenfells, seine Augen waren von tiefem klaren Grün und ein wenig fremdartig durch die geschlitzten Raubtierpupillen. Er besaß die lässige Eleganz einer Katze und einen athletischen Körper, der irritierend gut zu seinem Gesicht passte – einem Gesicht, das speziell Frauen dazu brachte, ihm bereitwillig alles zu geben, was er wollte. Das wäre alles noch nicht so schlimm gewesen, hätte er wenigstens die Pietät besessen, zu Sommersprossen zu neigen oder in der Sonne rot zu werden, aber ich nehme an, so etwas ist unter der Würde eines echten Cait Sidhe.
    Tybalt und ich, wir haben eine komplizierte Beziehung, die sich genauso oft zu verschlimmern scheint, wie sie besser wird. Er war höflich, sogar freundlich zu mir gewesen, als wir in der Grafschaft Zahmblitz einen Mörder jagten … und sobald wir fertig waren, verschwand er spurlos. Seitdem hatte ich ihn nicht mehr gesehen, und das, obwohl ich mehrere Nächte damit zugebracht hatte, auf der Suche nach dem Hof der Katzen durch San Francisco zu streifen.
    Ich hatte versucht mir einzureden, dass ich ihm nur seine Jacke wiedergeben wollte. Ich war leider noch nie gut darin, meine eigenen Lügen zu glauben. Ich wollte ihn sehen, nicht mehr und nicht weniger. Auf eine Art war das Ironie des Schicksals. Hätte mich jemand sechs Monate früher gefragt, wie ich mich fühlen würde, wenn Tybalt sich um seinen eigenen Mist kümmerte und mich in Ruhe ließ, wäre meine Antwort gewesen: erleichtert. Doch als er genau das wirklich tat, war ich verletzt. Ich wusste beim besten Willen nicht, wie ich damit umgehen sollte, also machte ich es mir leicht: Ich wurde sauer.
    Er sah mein Mienenspiel und seufzte erneut. »Ich nehme an, meine Entschuldigung ist nicht akzeptiert?«
    »Gab es einen besonderen Grund dafür, dass du meintest, einfach verschwinden zu müssen?« Ich löste Karens Gurt, zog sie aus dem Auto und versuchte sie an mich zu lehnen, damit ich das Auto abschließen konnte. Spike schaffte es gerade noch rechtzeitig, zur Seite zu springen, bevor ich auf ihn trat.
    »Es gab da ein paar Angelegenheiten, um die ich mich kümmern musste.« Tybalt bewegte sich fast zu schnell für meine Augen. Plötzlich trug er den Hauptteil von Karens Gewicht. »Lass mich dir damit helfen.«
    Ich musterte ihn scharf, machte aber keine Einwände, bis ich die Tür abgeschlossen hatte. »Was willst du?«
    »Muss ich denn etwas wollen?«
    »Du hast über zwei Monate nicht mit mir gesprochen, also ja: Du musst etwas wollen.«
    »Schön zu sehen, dass du dich nicht verändert hast«, sagte er, und die Spur eines Lächelns strich über seine Lippen. Leichthändig hob er Karen ganz auf seine Arme und hielt sie mühelos. »Wo gehen wir hin?«
    »Es gibt hier kein ›wir‹, Tybalt. Karen und ich müssen zu Lily. Du kannst gehen, wo immer du hingehst, wenn du mich nicht gerade nervst.«
    »Und ich dachte schon, du hättest mich vermisst.« Sein Lächeln hielt und festigte sich noch ein wenig, als er sagte: »Du trägst immer noch meine Jacke.«
    »Tja, na ja. Ist wohl das einzige Stück, bei dem es mich nicht stört, wenn es kaputtgeht.« Ich zwang mich, ihn anzublicken, und widerstand dem Impuls, rot zu werden und wegzusehen. »Was willst du, Tybalt?«
    Er sah mich offen an, und sein Lächeln schwand. »Ich brauche deine Hilfe.«
    Das hatte ich jetzt nicht erwartet. Ich blinzelte. »Was?«
    »Ich brauche deine Hilfe.« Er blickte dabei auf Karen hinunter, als spräche er mit ihr statt mit mir. »Fünf Kinder sind heute Morgen vom Hof der Katzen verschwunden.« Sein Tonfall klang unendlich ermattet. Ich starrte ihn an. »Drei waren Wechselbälger, die bei ihren Fae-Eltern lebten. Eins war ein Viertelblut, das bei seiner Wechselbalgmutter lebte. Das Letzte ist reinblütig.« Er sah mich an, und jetzt stand die Ermattung in seiner Stimme ihm auch ins Gesicht geschrieben. »Er ist der Sohn meines Bruders. Der einzige Cait Sidhe von königlichem Blut, der in den letzten sechzig Jahren in meinem Lehen geboren wurde.«
    »Sie sind einfach verschwunden?« Mein Mund wurde plötzlich trocken. Spike rasselte mit den Dornen, als wollte er meine Frage betonen. Cait Sidhe sind noch entschiedenere Nachtwesen als die meisten Fae.

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