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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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Morde nie verziehen. In Anbetracht meiner eigenen Abkunft war es sicherlich keine gute Idee, sie daran zu erinnern, dass man Erstgeborene umbringen konnte.
    Sie machte die Augen schmal, und ihre Pupillen verengten sich zu schlangenartigen Schlitzen. »Das wurde durchaus versucht. Sogar meine Schwestern und ich haben es einst versucht – wir gehören zu Maeves Stamm, aber das heißt noch lange nicht, dass wir alle Monster sind. Merk dir das, du Kind Oberons: Auch wir kennen den Unterschied.«
    Eigentlich wurden die Daoine Sidhe von Titania als ihr zugehörig anerkannt, nicht aber von Oberon. Dies schien mir allerdings kein guter Zeitpunkt, um darauf näher einzugehen. »Warum ist der Versuch fehlgeschlagen?«
    »Weil es Regeln gibt, und sie wurden nicht befolgt.«
    Ich runzelte die Stirn und griff nach Spike, um ihn zu kraulen. Er schmiegte sich an meinen Hals und jammerte leise. »Wie meinst du das?«
    »Hast du Blind Michael jemals gesehen ?«
    Blind Michael gehörte irgendwie zur hiesigen Landschaft. Jeder kannte seinen Namen. Jeder hatte schon mal seine Jagd auf der Suche nach Beute über die Hügel von Berkeley reiten sehen. Kluge Leute suchten Abstand. Wer nicht aufpasste, konnte leicht ihre Speere zu spüren bekommen. Ich hatte die Jagd gesehen, ich hatte die Jäger gesehen. Aber hatte ich je ihren Herrn und Meister gesehen? »Ich weiß es nicht. Ich dachte eigentlich schon … «
    »Nein, hast du nicht. Du würdest es wissen. Blind Michael verlässt seine Lande nie, denn solange er dort bleibt, schützen ihn die Regeln, und er ist sicher. Darum konnten meine Schwestern und ich ihn nicht töten. Man kann ihn nicht in seinen eigenen Gefilden jagen. Man kann ihm nicht in seine Dunkelheit folgen.«
    »Aber ich habe doch seine Jagd gesehen.«
    »Die reiten, wann immer sie das Fell juckt. Er reitet nur, wenn es Kinder zu erbeuten gibt. Es gibt in hundert Jahren nur eine Nacht, in der er verwundbar ist – die Chancen sind also verschwindend. Niemand hält ihn auf.«
    »Doch, ich«, sagte ich mit einer Zuversicht, die ich nicht empfand.
    Die Luidaeg schüttelte den Kopf. »Das ist nicht bloß irgendein verrückter Wechselbalg, Toby. Wir reden von Blind Michael . Er ist stärker als ich. Ich kann ihn nicht aufhalten. Was lässt dich glauben, du könntest es schaffen?«
    »Nichts«, sagte ich mit vollkommener Aufrichtigkeit. Es zahlt sich nicht aus, die Luidaeg zu belügen. Sie könnte brüskiert sein und einem ein paar Gliedmaßen abreißen. »Ich werde vermutlich einen grässlichen Tod sterben.«
    »Ich bin froh, festzustellen, dass du deinen Fatalismus nicht eingebüßt hast«, sagte sie und klatschte mit der Hand auf eine weitere Kakerlake. »Das ist eine deiner besten Eigenschaften. Aber warum überhaupt losziehen, da du doch weißt, dass das Scheitern unausweichlich ist?«
    »Ich muss.«
    »Wozu?«, fragte sie und schnippte sich die Kakerlake in den Mund. »Es ist sinnlos. Wenn du so begierig bist zu sterben, sag es mir einfach, und ich erspare uns allen eine Menge Ärger.«
    »Ich will nicht sterben.« Genau, und deshalb verhandelte ich hier hartnäckig mit einer Frau, die bereits etliche Male gedroht hatte, mich zu töten. Manchmal scheint mir mein Leben wirklich bar jeder Vernunft zu sein.
    »Also dann, warum ?«
    »Ich muss«, wiederholte ich. »Er hat sich zwei von den Kindern meiner besten Freunde geholt, und ein drittes wacht nicht mehr auf, was wir auch tun. Und dann sind da noch die Kinder vom Hof der Katzen, die er entführt hat. Ich muss es versuchen. Wie könnte ich weiterleben, wenn ich es nicht täte?«
    »Ich verstehe.« Fast sanft sagte sie: »Wenn ich dir helfe – und du brauchst meine Hilfe –, dann schuldest du mir was. Kannst du damit leben?«
    »Ja.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja, Luidaeg. Dreimal gefragt und dreimal sicher.« Ich schüttelte den Kopf. »Du willst mein Wort, du hast es. Also bitte. Sag mir jetzt, was ich wissen muss.«
    »Schön.« Sie verschränkte die Arme und lehnte sich gegen ihre Arbeitsplatte. »Du musst schnell machen. Er wird schon angefangen haben, die Kinder zu verändern, aber er hat sie noch nicht lange genug, um bereits bleibenden Schaden angerichtet zu haben. Wenn du zu lange wartest, wirst du keins von ihnen mehr retten. Du gehst noch heute Abend, und du gehst allein, und du wirst dich nicht umsehen. Weil die Regeln es so verlangen.« Ihr schiefes Lächeln entblößte die Spitze eines elfenbeinernen Reißzahns. »Wir haben jetzt Anfang September. Er wird sie

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