Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
Vom Netzwerk:
diesen Worten mit.
    »Wenigstens acht. Vielleicht noch mehr.«
    »Verdammt!« Ihre Stimme schwoll zu einem Kreischen. Ich hörte Gegenstände zu Bruch gehen, konnte aber nicht recht einschätzen, ob sie damit warf oder ob sie aus reiner Sympathie zerbarsten. »Verdammt, verdammt, verdammt – warum verflucht noch mal schickt sie dich damit ausgerechnet zu mir?«
    »Weil sie dachte, du wärst vielleicht imstande zu helfen.« Weil es Finsternis braucht, um die Finsternis zu verstehen.
    Als sie wieder sprach, klang es, als sei ihr Herz gebrochen. »Warum ich? Warum könnt ihr Leute mich nicht endlich einfach in Ruhe lassen?«
    »Weil wir dich brauchen. Weil ich dich brauche, Luidaeg.«
    Sie schnappte nach Luft und hielt einen Moment lang den Atem an. Dann sagte sie langsam: »Ich kann helfen.«
    »Ich weiß«, log ich. Ich hatte es nicht gewusst. Ich hatte es nur gehofft. Nach allem, was Luna mir erzählt hatte, schien Hoffen noch die aussichtsreichste Verhaltensmaßregel, die ich hatte.
    »Das wird aber nicht billig. Bist du willens, mir einen Blankoschuldschein auszustellen?«
    Ich zuckte zusammen. »Ja. Das bin ich.«
    »Du bist immer noch ein Dummkopf«, sagte sie und lachte tief und bitter. »Schön zu wissen, dass sich manche Dinge niemals ändern. Bist du in Schattenhügel?«
    »Ja.«
    »Leg auf und komm her, bevor ich meine Meinung ändere. Du musst haargenau das tun, was ich dir sage. Wirst du das hinkriegen?«
    »Ich denke schon.«
    »Du solltest dir besser absolut sicher sein. Sonst sind wir erledigt, ehe wir angefangen haben. Brich jetzt auf. Geh nicht nach Hause. Wenn du erst unterwegs bist, halte nicht mehr an und sieh dich nicht um. Hast du heute was gegessen?«
    »Nicht viel. Etwa ein knappes halbes Rührei, ein paar Pommes, zwei Bissen Brombeerkuchen, drei Tassen Kaffee und etwas Tee bei Lily.«
    »Das dürfte nicht allzu hinderlich sein. Schaff deinen Arsch hierher.«
    Die Leitung war tot. Ich legte auf und massierte mit den Handflächen meine pochenden Schläfen, während ich zu meinem Wagen ging. Ich sah mich nicht um, was allerdings zu einem Riesenproblem wurde, als ich im Auto saß und mich aus der Parklücke zu manövrieren versuchte. Schließlich entschied ich, dass der Befehl »Sieh dich nicht um« wortwörtlich zu verstehen war und dass ich so lange nicht dagegen verstieß, wie ich nicht den Kopf drehte, um zu sehen, was hinter mir war. Es war vielleicht geschummelt, aber es war das Beste, was ich tun konnte.
    Dank des berühmten San Franciscoer Verkehrs dauerte die Fahrt zur Luidaeg über anderthalb Stunden. Sie lebt in Nähe der Docks. Es ist nicht leicht, bis dahin vorzustoßen, selbst wenn die Touristen gerade nicht in vollen Schüben unterwegs sind. Die Straßen müssen bloß mit Idioten gefüllt sein, die »noch ein Mal« einen Blick auf Pier 39 werfen wollen – da kann man schon von Glück sagen, wenn man überhaupt in die Nähe des Wassers kommt, ohne in einem mehrstündigen Verkehrsstau stecken zu bleiben. Mein Kopfschmerz hatte sich zu einer handfesten Migräne ausgewachsen, als ich endlich ihr Viertel erreichte.
    Die grellbunten Touristenfallen wichen verlotterten, halb verfallenen Gebäuden, die aussahen, als sehnten sie sich nur nach einer Rechtfertigung, um endlich einzustürzen. Sie waren dicht aneinandergepfercht, sodass lichtlose Gassen aus eng zusammenstehenden Hauswänden entstanden. Die Luft stank nach fauligem Wasser und verrottendem Fisch. Ich hatte mich halbwegs daran gewöhnt – regelmäßige Besuche machen es etwas leichter, den Mief auszuhalten – , aber ich kam immer noch nicht umhin, mich zu fragen, wie sie damit tagtäglich leben konnte. Wobei die Antwort vermutlich einfach war. Die Luidaeg wurde im Marsch- und Sumpfland geboren, an einem Ort, wo sich Land und Meer begegnen, vereinigen und gegenseitig zerstören. In gewisser Weise lebte sie immer noch da.
    Spike kauerte auf meinem Schoß, beobachtete die Umgebung und gab gelegentlich ein kleines ängstliches Wimmern von sich. Seinem Verhalten nach zu urteilen, wusste er, zu wem wir unterwegs waren, und es behagte ihm keineswegs. Er mochte die Luidaeg nicht. Hatte sie noch nie gemocht.
    »Ist schon in Ordnung, Spike«, sagte ich. »Sie wird schon nicht deinen Kopf abreißen und ihn dir zeigen.« Dieses Vergnügen war bestimmt mir vorbehalten.
    Ich bremste, als linkerhand in einer kleinen Gasse das Haus der Luidaeg in Sicht kam. Es war ein jämmerlicher Klotz aus zerbröckelndem Mauerwerk und abblätternder Farbe,

Weitere Kostenlose Bücher