October Daye: Nachtmahr (German Edition)
dies Gesicht erschienen dir … « Der Spruch griff nicht richtig. Ich brauchte mehr Blut. Ich war nicht stark genug, um es ohne zu schaffen. Ich war noch nie stark genug, um ohne Blut größere Zauber zu wirken.
Ich hob meine verletzte Hand an den Mund und saugte heftig an dem tiefsten Einstich. Das Blut war heiß und bitter. »Nur ein schwacher, eitler Schaum, der nicht mehr trägt als ein Traum.« Der Kupfergeruch wurde überwältigend und hinterließ mir pochende Kopfschmerzen. Magie kostet Kraft, und meine war allmählich verbraucht.
Katies Züge erschlafften, als der Bann sie ergriff, und sie sackte zusammen. Ich schüttelte meinen Kopf frei und sagte: »Katie, du fühlst dich nicht wohl. Du hast dir den Magen verdorben, und du willst nach Hause. Du siehst nichts Ungewöhnliches, dir ist nur ein bisschen schlecht. Dein Freund wird dich nach Hause bringen. Verstehst du?« Sie nickte, ohne dass ihr Gesichtsausdruck sich änderte. Ich tätschelte ihre Hand, und sie zog sie nicht weg. »Gut. Quentin wird gleich bei dir sein.« Sie nickte wieder, lächelte und richtete sich darauf ein, zu warten. Sie würde entspannt hier ausharren, bis Quentin kam oder der Zauber verging, was immer zuerst geschah. Solange nichts meinen Bann störte, würde es ihr gut gehen, aber jeder Schock konnte sie zurück in die Wirklichkeit stoßen. Ich musste sie von Spiegeln fernhalten, und von Blind Michael.
Ich stand auf und atmete stoßweise. »Quentin, mach schnell. Du musst sie hier rausbringen.«
»Was ist mit dir los?«
»Nur ein kleiner Magiebrand, mir geht’s gleich wieder gut. Beeil dich jetzt.«
Er nickte, ging wieder zu Katie und kniete sich ins Stroh. »Katie? Alles klar bei dir?«
Sie lächelte. Der Zauber wirkte. Maeve sei Dank. »Hallo, Quentin. Ich warte auf dich. Bringst du mich jetzt nach Hause?«
»Und ob«, sagte er und lächelte zurück. Ich glaubte nicht, dass sie durch den Trug, der ihren Blick verschleierte, seine Tränen sehen konnte. »Ich bring dich nach Hause. Bist du so weit?«
»Oh ja, ich fühl mich bloß nicht gut.« Sie taumelte, als sie aufstand, und Quentin stützte sie. Der Schweif brachte sie aus dem Gleichgewicht. Katie runzelte die Stirn. »Ich glaube, ich muss mich hinlegen.«
»Schon gut«, sagte er und führte sie zum Ausgang. »Ich bring dich nach Hause.«
Ich folgte ihnen, so schnell ich konnte, und versuchte so zu tun, als schmerzte es nicht, die anderen verschlossenen Gatter hinter mir zurückzulassen. Hinter diesen Türen gab es weitere Kinder, die sich in etwas verwandelten, was sie nicht verstanden, und die ich nicht retten konnte. So viel Magie würde mich nicht nur überfordern und krank machen, sondern höchstwahrscheinlich töten, und was sollte dann aus meinen Kindern werden? Blind Michael würde für alles bezahlen, was er getan hatte, aber am meisten würde er dafür büßen, dass ich gezwungen war, mich davonzuschleichen und diese Kinder zurückzulassen. Ich würde ihretwegen wiederkommen, wenn ich konnte. Aber meine Kinder brauchten mich jetzt zuerst. Und es war nicht fair. Das ist das Leben selten.
Ein Mal, nur ein einziges Mal würde ich zu gern auf einen echten Helden treffen, jemanden, der alles zu einem glücklichen Ende bringt, denn ich bin ganz offensichtlich ungeeignet für diesen Job. Ich folgte Quentin und Katie aus dem Stall, fast blind vor Schmerz und Wut, und sobald wir die dunkle Ebene erreichten, gestattete ich mir zu weinen. Ich würde damit aufhören müssen, bevor wir den Wald erreichten – die Kinder brauchten mich stark – , aber für den Moment war es unbedingt nötig.
Wo zur Hölle blieb mein Held?
Kapitel 16
S obald wir in Sichtweite waren, kam Jessica zwischen den Bäumen hervorgestürzt. Schluchzend warf sie sich mir entgegen und barg ihr Gesicht an meiner Schulter. Ich stemmte mich ein, um nicht umzufallen – unsere Körpergröße war zu ähnlich, um den Anprall locker wegzustecken. »Tante Birdie!«, heulte sie mit erstickter Stimme. »Ich dachte schon, du k-kommst nie wieder!«
Ich seufzte, ließ Quentins Hand los und strich ihr übers Haar. »Das höre ich öfter in letzter Zeit.« Spike kam angeschlichen und setzte sich mit gesträubten Dornen vor meine Füße, ein leises Jaulen drang tief aus seiner Kehle. Ich verstand die Botschaft: Wir konnten es uns nicht leisten zu trödeln. Blind Michael hatte zwar versprochen, dass wir sicher waren, wenn wir seine Lande hinter uns ließen – oder zumindest dass die Kinder, um die ich mit ihm
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