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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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genau wie die anderen, aber mit einer Tür aus rohen Brettern dahinter. Ich ging hin und versuchte sie zu öffnen. Sie war abgeschlossen.
    »Die kann ich mit dem Messer nicht aufbrechen, und ich habe meine Dietriche nicht dabei. Wir müssen den Schlüssel finden.« Ich ließ den Türknauf los. Blitzartig schlang sich eine stachelige Ranke um meine Finger und hielt sie fest. »Oh, Mist!« Ich versuchte meine Hand zu befreien. Die Dornen zogen sich enger zusammen. »Quentin, ich hänge fest.«
    »Was soll ich machen?«, fragte er mit schreckgeweiteten Augen.
    »Mach mich los!«
    »Wie!«
    »Durchschneiden!« Die Dornen verursachten ein Brennen, das mir eiskalt bis in die Knochen drang. »Schnell!«
    Quentin zerrte das Messer aus meinem Gürtel und zielte damit auf die Ranke. Ich biss die Zähne zusammen und tat mein Bestes, um still zu halten. Der Angriff des Killerdornbuschs war schlimm genug, versehentlich ein paar Finger einzubüßen wäre noch schlimmer.
    Dann traf die Klinge auf den Dornenzweig.
    Die Ranke selbst schien aufzubrüllen, dünne gellende Schreie, die von überall und nirgends kamen, und sie zog sich zusammen und krümmte sich und bohrte sich noch tiefer in meine Hand. Ich schrie auf, ehe ich mich beherrschen konnte, und flehte: »Quentin, hör auf !«
    Seine Hand zitterte, als er das Messer zurückzog. Die Ranke hörte auf zu kreischen, ließ aber nicht los. Ich stand da, blinzelte Tränen weg und lauschte auf Alarmgeräusche. Wir konnten uns keinerlei Aufsehen leisten. Wenn wir erwischt wurden … Ich schauderte. Wenn sie uns fingen, waren wir schlimmer dran als tot.
    Also, wir konnten die Dornenranke nicht durchschneiden. Was konnten wir sonst noch einsetzen, um meine Hand frei- und die Tür aufzukriegen? Blut war offensichtlich nicht die Antwort, denn von meinem Blut war schon einiges geflossen. Ich konnte es mit einem Zauberspruch versuchen, aber ich kannte keinen »Öffne-das-lebende-Schloss«-Bann. Vielleicht war ich in der Lage, einen imaginären Schlüssel zu erzeugen, aber ich hatte keine Ahnung, wie er aussehen müsste oder wie man das Schloss dazu brachte, ihn für echt zu halten. Von Quentin war keine Hilfe zu erwarten, bis er sich beruhigt hatte, und die rote Flamme brannte jetzt so hoch, dass sie fast mein Gesicht versengte. Ich stutzte. Bisher hatte die Kerze alles in Blind Michaels Landen beeinflussen können. Warum sollte es bei dem Schloss anders sein?
    Ich hob die freie Hand und hielt die Kerze direkt an die Dornen. Die Ranke um meine Finger löste sich, und ich taumelte fluchend rückwärts. Die Löcher, die sie hinterlassen hatte, waren klein, aber tief und zogen sich über meine ganze Hand.
    »Alles okay?«, fragte Quentin hastig.
    »So weit«, sagte ich. Die Dornenranken wichen weiter zurück und gaben die Tür frei. Sobald die letzte Ranke sich verzogen hatte, nahm die Kerzenflamme wieder ihre normale Größe an und verdunkelte zu einem ruhigen Blau. Es schien, als wären wir am Ziel, was immer hier auf uns wartete. »Ich glaube, wir können jetzt reingehen.«
    »Bist du sicher?«
    »Nein.« Ohne Überraschung stellte ich fest, dass die Tür nicht mehr verschlossen war. Ich stieß sie auf und betrat einen engen Verschlag mit verdrecktem Stroh und seltsamen, bedrohlichen Schatten. An einer Seite stand ein Trog, halb gefüllt mit einer trüben Flüssigkeit. Es war zu dunkel, um irgendetwas deutlich zu erkennen. Unwillkürlich hielt ich die Kerze in die Höhe, damit sie den Raum etwas erhellte.
    Das Licht war nicht gnädig. Ich schloss die Augen und flüsterte: »Oh, süße Maeve … « Quentin trat neben mich und legte die Hand auf meine Schulter. Ich spürte seine verkrampften Finger, öffnete die Augen wieder und versuchte zu begreifen, was ich sah. Das war nicht leicht.
    Katie stand in der entferntesten Ecke, den Rücken an die Wand gepresst, und starrte mit offensichtlichem Grauen in unsere Richtung. Sie hatte keine sichtbaren Verletzungen, und ihre Kleidung war weitgehend unversehrt, sie war offenbar weder geschlagen noch vergewaltigt worden. Das war mal ein Punkt zu Blind Michaels Gunsten, doch es war bei Weitem nicht genug.
    Verwandlung – Transformation – kann eine Kunstform sein. Lily hatte mir das mal als eine Art Bildhauerei beschrieben, nur dass anstelle von Holz, Stein oder Metall lebendiges Fleisch gestaltet wird. Man nimmt etwas, das es gibt, und verwandelt es in etwas, das es vorher nicht gab. Wie jede Kunst erfordert das Talent und Übung. Jemand mit

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