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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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er zwischen meinen verkleinerten Füßen und den Abdrücken am Boden hin und her. Schließlich nickte er. »Ja.«
    »Gut.« Ich richtete mich auf. Hier hatte ich Blind Michaels Land betreten. Wenn es einen Weg hinaus gab, würden wir ihn hier finden. »Wir rasten hier.«
    Die Kinder ließen sich fallen, wo sie gerade standen. In kleinen Grüppchen lagerten sie auf dem steinigen Boden. Quentin führte Katie zu einem etwas größeren Felsblock und war ihr beim Setzen behilflich. Ihr Schwanz stellte ein Problem dar: Sie war sich seiner Existenz nicht bewusst, aber sie konnte sich damit nicht hinsetzen, ohne sich wehzutun. Schließlich griff Quentin um sie herum und schob ihn aus dem Weg. Dann zog er hastig die Hand weg, als hätte er sich verbrannt.
    Katie lächelte glasig. »Sind wir bald zu Hause?« Die Verwandlung schritt weiter voran, auf ihren Wangen bildete sich inzwischen eine Blesse aus weißen Haaren, die wie eine Koteletten-Parodie anmutete.
    »Klar, Katie. Bestimmt.« Er warf mir einen flehenden Blick zu. Natürlich. Immer schön alles auf Toby abwälzen. Die hat ja sonst keine Sorgen.
    Meine Kerze schrumpfte vor sich hin, die Flamme ein stetiges blaues Licht. Wir waren also sicher, aber wie lange noch? Ich hatte Angst davor, eine erneute Beschwörung zu versuchen. Die zwei, die ich bisher durchgeführt hatte, hatten einen Großteil des Wachses verbraucht, und einen Fehlschlag konnten wir uns jetzt nicht mehr leisten.
    Was soll’s. Aller guten Dinge sind drei, ganz besonders in Faerie. »Luidaeg?«, sagte ich. »Luidaeg, falls du mich hörst, wir haben Angst, und ich weiß nicht, wie es jetzt weitergeht. Wir müssen jetzt nach Hause kommen. Ich hab die Kerze, Luidaeg, du sagtest, ich käme hin und zurück … « Die Flamme zuckte, bäumte sich auf und färbte sich blutrot. Hastig hielt ich sie von mir weg, wobei ich sie beinahe fallen ließ. In der Ferne erschallte ein Jagdhorn.
    Weitere Hörner bliesen, dann noch mehr und noch mehr, bis die Luft davon vibrierte, und dann erdröhnte der Boden von Hufschlägen. Blind Michaels Truppen nahten, und meine Kerze warf nicht genug Licht, um uns alle zu verbergen!
    Und dann geschah alles auf einmal.
    Die Kinder sprangen auf die Füße und scharten sich in stillschweigendem Einvernehmen um mich. Sie wussten, dass Geschrei jetzt jede Hoffnung auf ein Entkommen zunichtemachen würde. Nicht dass Schweigen uns noch retten konnte: Die Hufschläge kamen näher, und es gab weit und breit keine Deckung. Die Sache war gelaufen. Keine Chance.
    Ich schaute auf die Kerze in meiner Hand und auf das Messer an meinem Gürtel und fragte mich, wie viele von ihnen ich töten konnte, bevor die Reiter uns ergriffen.
    »Tante Birdie! Hier entlang!«
    Ich wandte mich in Richtung der Stimme. Hinter mir stand Karen und zeigte auf das nächstliegende Dornengestrüpp. Ihr Kleid war dunkel von Staub. »Karen?« Niemand sonst hatte sich umgedreht. Es war, als könnten sie sie gar nicht rufen hören.
    »Ihr müsst schnell machen! Geh durch die Dornen – du brauchst das Blut! Schnell!« Sie gestikulierte wild, und mir wurde mit Grauen bewusst, dass ich durch sie hindurchsehen konnte. Nach allem, was ich weiß, sind Leute, durch die man hindurchsehen kann, normalerweise tot.
    Ich bin als Tochter der Daoine Sidhe aufgewachsen. Wir hören auf die Toten. Zeit zum Trauern blieb später, wenn ich alle hier lebend rausgebracht hatte. Ich umklammerte Jessicas Hand, klemmte mir Andrew unter den Arm, rannte auf das Dornengebüsch zu und brüllte: »Hier lang!« Es gab eine Schrecksekunde, dann folgten mir die geschockten Kinder hastig, zogen einander mit beim Versuch, mich einzuholen.
    Die Hornsignale kamen näher. Blind Michaels Truppen waren deutlich schneller, bewaffnet und an uns dran, und ich hatte nichts als eine Kerze und die Geisterworte eines toten Mädchens, das ich nicht hatte sterben sehen. Kein sonderlich faires Spiel.
    Am Rand des Dornengestrüpps bremste ich und suchte nach einer Öffnung. Es schien keine zu geben. Karen hatte gesagt, wir brauchten Blut, na schön. Mit Blut kam ich klar. Ich stieß die Hand mit der Kerze in die Dornen und riss mir an einem Dutzend Stellen die Haut auf. Es gab einen Sekundenbruchteil völliger Stille, als sei soeben die Welt stehen geblieben. Vielleicht war sie es.
    Und dann öffnete sich in der Luft eine Tür.
    Auf der anderen Seite war die Luidaeg, wildäugig und außer sich vor Aufregung, mit Asche im Haar. Ihre Panik ging in meiner eigenen unter.

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