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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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fortgeschrittenen Fähigkeiten in der Kunst der Verwandlung kann eine Transformation im Handumdrehen vollenden oder sie über ein ganzes Jahr dehnen. Es hängt ganz davon ab, was man erreichen will … und wie grausam der Künstler ist.
    Dicke weiße Strähnen liefen durch Katies Haar, länger und deutlich gröber als das menschliche Haar um sie herum. Ihre Ohren waren verlängert, biegsam und weich mit einem Flaum aus kurzen weißen Härchen, und sie schoben sich offenbar an ihrem Kopf nach oben, ihr Sitz erinnerte bereits mehr an einen Pferdekopf als an ein menschliches Gesicht. Sie klappte sie zurück, als Quentin sich ihr näherte. Es war ein reiner Reflex, und das war an sich schon erschütternd – wie viel Menschlichkeit hatte sie bereits verloren? Sie spreizte die Hände auf den Knien, als versuchte sie ihre Finger möglichst weit auseinanderzuhalten. Die Fingernägel hatten sich über das erste Fingergelenk ausgebreitet und einen dunklen, glänzenden Schimmer angenommen, sie wurden zu Hufen.
    Ihr Gesicht war noch völlig menschlich, obwohl sie Pferdeohren und den Beginn einer Mähne trug. Das nackte Entsetzen in ihren Augen verriet mir, dass ihr Geist ebenfalls noch unverändert menschlich war. Blind Michael ließ sich Zeit, und er machte ihr jeden Millimeter der Veränderung qualvoll bewusst. Das war der sicherste Weg, um zu bekommen, was er wollte: Wenn die Verwandlung abgeschlossen war, würde ihr Geist gebrochen sein und sie bereit, bedingungslos zu gehorchen. Scheißkerl. Im Stillen schwor ich mir, dass er dafür sterben würde. Es war nicht das erste Mal, dass ich mir dieses Versprechen gab. Und höchstwahrscheinlich auch nicht das letzte Mal.
    Quentin sank vor ihr auf die Knie und streckte die Arme aus, als wollte er sie an seine Brust ziehen. Sie wimmerte und wich vor ihm zurück, wobei sie fast hinfiel. Der Grund für ihre merkwürdig steife Haltung wurde sichtbar, als sie sich bewegte: Ihr Kleid war hinten der Länge nach aufgerissen und mit einem schmutzigen Schnürsenkel behelfsmäßig wieder zusammengebunden. Ein voll ausgebildeter Pferdeschweif ragte aus dem so entstandenen Loch, etwas verfilzt und verklebt mit Mist und Stroh vom Stallboden. Er hätte hübsch aussehen können, hätte er nicht an einem verängstigten menschlichen Mädchen gehangen.
    »Katie – «, sagte Quentin hilflos und streckte wieder die Arme nach ihr aus. Diesmal schrie sie. Der Schrei endete in einem schrillen, unmenschlichen Wiehern. Sie veränderte sich inwendig ebenso wie äußerlich.
    »Quentin, geh weg von ihr«, sagte ich.
    »Aber – «
    »Schau sie doch an. Sie hat Angst vor dir.« Katie sah mich an, erschauerte und verstummte. Sie hatte schon den Wert der Unterwerfung verinnerlicht. Ich schätze, Grauen ist ein wirkungsvoller Lehrer.
    Quentin erhob sich und kam zitternd zurück zu mir. »Was ist los mit ihr?«
    »Abgesehen vom Offensichtlichen?« Ich zeigte auf meine Ohren, dann auf seine. »Wir sind das Problem. Sie ist völlig verwirrt, und sie glaubte bisher, du seist ein Mensch. Im Moment siehst du für sie aus, als wärst du Teil dieses Albtraums.«
    »Ich – « begann er, dann brach er ab und starrte mich an. »Oh, Wurzel und Zweig.« Er sah wieder Katie an, die in ihrer Ecke zu verschwinden versuchte. »Sie denkt, ich bin einer von denen.«
    »Ja«, sagte ich sanft. »Du kannst nicht zu ihr gehen.«
    »Aber … «
    Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Lässt du mich das machen?«
    Quentin biss sich auf die Lippe und nickte. Ich konnte sehen, wie viel Überwindung ihn das kostete.
    Die Kratzer in meiner Hand bluteten immer noch, und das war gut so. Blut macht die Dinge leichter für mich, wenn Magie gefragt ist. Ich ging zu Katie, kniete mich vor ihr hin und hielt die Kerze zwischen uns. »Hallo«, sagte ich. Sie wimmerte. Ich beachtete es nicht und fuhr fort: »Mein Name ist Toby. Ich will dich nach Hause bringen. Willst du nach Hause?« Sie verkroch sich noch tiefer in ihre Ecke und legte die Ohren an. Sie glaubte mir kein Wort. Das war nicht weiter schlimm, es bedeutete allerdings, dass ich ohne ihre Einwilligung arbeiten musste. Aber mit frischem Blut an meinen Händen würde fehlende Einwilligung mich nicht lange aufhalten.
    »Haben Schatten dich beschädigt, denk nur dies, schon ist’s erledigt«, begann ich. Ein Hauch von Kupfer und geschnittenem Gras durchzog die Luft, gedämpft und halb verdrängt durch die fremde Natur von Blind Michaels Landen. »Dass du bloß geschlummert hier, als

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