Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
Vom Netzwerk:
erstarrte sie zur Salzsäule. Schön, zu sehen, dass ich nicht die Einzige war, die so reagierte. »Was zum – «
    May winkte und grinste schief. »Tag, ich bin May. Ist Toby da?«
    Dieser Augenblick war beinahe den ganzen Aufwand wert. Noch nie hatte ich die Luidaeg überfordert erlebt. Es hielt nur ein paar Sekunden an, dann kniff sie die Augen zusammen. »Was immer du bist, du bist nicht Toby.« Ihre Stimme war plötzlich ganz tief und hatte einen sehr gefährlichen Unterton. »Du riechst anders. Was bist du?«
    »Ich muss auch anders riechen, schließlich hab ich mich gerade mit Erdbeer-Eukalyptus-Badeöl in der Wanne gesuhlt. Das Zeug ist der Hammer!« Ihr Grinsen wurde breiter. »Ist Toby hier? Sie wollte, dass ich komme. Ich bin hier doch richtig, oder? Ihr seid die Luidaeg, nicht wahr? Ihr seht jedenfalls aus wie die Luidaeg … «
    »Ja«, sagte die Luidaeg und entspannte sich kein bisschen, »das bin ich. Aber wer zum Henker bist du? «
    »Hab ich doch gesagt.« May blinzelte verwirrt, ihr Grinsen verschwand. »Ich bin May Daye.«
    Die Luidaeg richtete sich auf. Rasch trat ich vor und legte ihr die Hand auf den Arm. »Luidaeg, warte.« Irgendwie glaubte ich nicht, dass es meinen bevorstehenden Tod aufhalten würde, wenn ich sie meinen Holing aufschlitzen ließ. Schade eigentlich. »Sie ist mein Holing.«
    »Was?« Die Luidaeg drehte sich um und starrte mich an, bis ihre Augenbrauen fast den Haaransatz berührten. In ihrem Blick lag etwas, das wie Angst aussah. Aber warum sollte die Luidaeg sich vor meinem Holing fürchten? May war doch meinetwegen da, nicht ihretwegen.
    »Holing«, sagte May so vergnügt wie immer. Meine plötzliche zweite Kindheit schien sie nicht weiter zu irritieren. Und auch nicht zu überraschen. Ich hätte wirklich besser aufpassen sollen, als meine Mutter mich über Holinge belehrte. Ich wusste zwar, dass May mit meinen Erinnerungen ausgestattet war, aber ich hatte keinen Schimmer, wie viel sie eigentlich davon mitbekam, was mit mir passierte, nachdem sie »geboren« war. »Ich bin hier, um sie ins Tal der Verdammten zu geleiten. Aber zuerst mal will ich sie nach Hause fahren. Und vielleicht unterwegs beim Inder was zu essen mitnehmen.«
    Ich lächelte matt. Es war schwer, sich ihrem Enthusiasmus zu entziehen, auch wenn sie nur existierte, weil ich bald abtreten würde. Wenn ich starb, starb auch sie, und ich würde es kaum fertigbringen, so vergnügt zu sein, wenn ich nur noch so kurz zu leben hätte. Moment mal. Ich hatte ja nur noch so kurz zu leben. Nun, ich war ja auch nicht so vergnügt. »Hallo, May.«
    »Hallo!« Sie winkte erneut. »Tust du mir einen klitzekleinen Gefallen?«
    »Und der wäre?«, fragte ich argwöhnisch. Nennt mich pingelig, aber ich war irgendwie nicht scharf darauf, der Verkörperung meines Ablebens »kleine Gefallen« zu tun, ganz gleich, wie sehr mir ihre Lebenseinstellung imponierte.
    »Sag mir künftig Bescheid, ehe du losziehst, um dich umbringen zu lassen, ja? Das ist wirklich wichtig, damit ich meine Pflicht tun kann.« Sie sah mich flehend an.
    Was sollte ich darauf antworten? Ich kämpfte kurz mit mir und entschied mich für Sarkasmus. »Nichts läge mir ferner, als es dir schwer zu machen, mich ins große Jenseits zu befördern.«
    »Herrlich!« Jetzt strahlte sie wieder. Offenbar ging Sarkasmus glatt an ihr vorbei. Ihr Lächeln schwand, als ihr bewusst wurde, dass die Luidaeg die Tür nicht freigab. »Ähm, kann ich vielleicht reinkommen?«
    »Luidaeg?« Die Meerhexe blickte zwischen uns hin und her, die Augen schmal. Ich ahnte, dass sie kurz davor war, die Beherrschung zu verlieren. »Kann sie reinkommen?«
    »Klar«, knurrte sie verkniffen und trat beiseite. »Bin immer froh, wenn mich der Tod zu Hause besucht.«
    »Ich bin doch nicht der Tod«, sagte May und querte die Schwelle. »Bloß ein harmloses Mitglied seiner Reservetruppen.«
    Offensichtlich hatte sie zwar mein Gedächtnis, aber nicht meinen Überlebensinstinkt. Nie hätte ich die Luidaeg so abgewimmelt, jedenfalls nicht, solange ich gern meinen Kopf auf den Schultern behalten wollte. »May – «, setzte ich an.
    »Keine Sorge«, fiel sie mir ins Wort, »sie kann mir nichts tun.«
    »Da hat sie recht«, knurrte die Luidaeg. Der Ausdruck in ihren Augen war mehr als wütend, er war mörderisch, und unvermittelt fragte ich mich, ob sie es wohl war, die mich töten würde. »Ihr Ziel bist du. Ich kann ihr nichts anhaben, höchstens, indem ich dir etwas antue.«
    Ich runzelte die Stirn

Weitere Kostenlose Bücher