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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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rein!«
    Schritte ertönten, gefolgt vom Geräusch von Schlössern, die entriegelt wurden. Die Tür öffnete sich. Zum Vorschein kam ein abgehärmt wirkender Manuel mit Verbandsmull über einem Auge, der jedoch die Schwellung nicht völlig verbarg. Mir stockte der Atem. Ich stieß ihn als langsames Zischen aus, als Dare an ihm vorbeilugte. Sie war erschreckend bleich, blaue Flecken zeichneten sich deutlich auf ihrer Wange und an ihrem Hals ab. Manuel erblickte die Pistole, und seine Augen weiteten sich.
    »Was tut ihr denn hier?«, fragte ich mit gedämpfter Stimme. »Ich habe Luna doch gebeten, euch warten zu lassen.«
    »Devin hat uns gerufen«, erklärte Manuel. »Wir kommen immer, wenn er ruft.« Dare schüttelte mit kleinen, scharfen Bewegungen den Kopf und bedeutete mir mit den Händen, dass ich verschwinden solle. Devin war wütend, weil ich sie in Schattenhügel gelassen und ohne sie weitergegangen war. Angesichts der Einzelheiten, von denen ich mittlerweile wusste, war er vor allem wütend, weil es ihnen nicht gelungen war, mich für ihn im Auge zu behalten.
    Dare wollte verhindern, dass ich mich in Gefahr begab, doch das kam nicht in Frage. Nicht angesichts des Geschmacks von Rosen, den ich immer noch im Mund hatte. »Wenn ihr jetzt geht, komme ich euch holen, sobald das hier erledigt ist«, sagte ich nach wie vor leise.
    Manuel sah mich mit ernster Miene an und zog die Tür einladend weiter auf. Dare wimmerte, und er brachte sie zum Schweigen, ohne die Augen von meinem Gesicht abzuwenden. Sie würden bleiben. Dies war ihr Heim, ob sie es wollten oder nicht, und so würden sie bis zum Ende bleiben.
    Ich betrat den Raum und hielt nach möglichen Gefahren Ausschau, entdeckte jedoch keine Anzeichen dafür. Wir waren allein. Soweit ich es erkennen konnte, hielten sich in dem Gebäude nur zwei grünäugige Teenager, ein verfluchter Wechselbalg und ein Mörder auf. Ohne die darin verstreuten Teenager wirkte der Raum kleiner, und die Narben an den Wänden erschienen mir älter. Zum ersten Mal empfand ich das Haus als das, was es war: eine Absteige mit einem ausgefallenen Namen, in der sich Kinder, die es einfach nicht besser wussten, von jemandem misshandeln ließen, der es durchaus besser wissen sollte.
    Ich durchquerte den Raum und zerschmetterte mit dem Griff meiner Pistole das Glas über der Ruftaste für Devins Büro. Scherben spritzten in alle Richtungen. Dare sog scharf die Luft ein. Ihre Augen weiteten sich in einer Mischung aus Ehrfurcht und Grauen. Wann war ich eigentlich zu ihrer Heldin geworden? Wann hatte sie begonnen, mich so zu betrachten?
    »Was machen Sie da?«, fragte sie.
    »Ich bringe die Dinge zu Ende«, erwiderte ich und versuchte, eine Ruhe auszustrahlen, die ich nicht verspürte. Ich redete mir ein, wir würden das Haus lebendig verlassen. Ich könnte den unausgesprochenen Erwartungen in ihren Augen gerecht werden. Es war das einzige Versprechen, das ich abgeben konnte. »Es wird hier gleich etwas ungemütlich. An eurer Stelle würde ich gehen.« Ich wusste, dass sie es nicht tun würde n – ich hätte es auch nicht getan, als ich noch hierhergehört e – , trotzdem musste ich ihnen die Gelegenheit bieten.
    »Er wird Sie umbringen, wenn Sie nicht sofort verschwinden«, warnte mich Manuel.
    »Da er ohnehin vorhat, mich umzubringen, wüsste ich nicht, was das ändern sollte.« Ohne auf das zerbrochene Glas zu achten, drückte ich auf die Taste. Ein bisschen mehr Blut spielte jetzt auch keine Rolle mehr. »Ich weiß, dass du da bist, Devin. Es ist an der Zeit, dass du rauskommst.« Damit trat ich zurück und wartete.
    Es dauerte nicht lange, bis Devins Stimme knisternd über die Gegensprechanlage ertönte. »Toby? Was ist denn los? Wo bist du gewesen?« Ich hörte Angst heraus. Nicht viel, aber hätte ich eine weitere Bestätigung gebraucht, dies hätte dafür gereicht.
    Ich drückte die Taste erneut. »Ich weiß es, Devin.«
    »Was weißt du?«
    »Ich weiß alles. Ich weiß, wen du wann und wie angeheuert hast.« Ich improvisierte wild, doch das konnte er ja nicht wissen. »Ich weiß von den Männern, die du losgeschickt hast, um mich zu töten. Ich weiß, dass du mich verführt hast, weil du dachtest, es könnte dir vielleicht verschaffen, was du wolltest. Ich weiß, dass meine Schulter nie völlig verheilen wird, dass ich vielleicht nie wieder schlafen kann und dass du deinen Hintern besser sofort hier rausschaffst!« Die letzten Worte zischte ich praktisch, da meine Wut überschäumte.

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