October Daye: Winterfluch (German Edition)
Menschen und die der Fae. Als ich noch professionelle Privatdetektivin war, ließen sich die meisten menschlichen Probleme mit einer Kamera und einem gut platzierten Mikrofon lösen. Und sah es bei einem menschlichen Problem so aus, als könnte es tödlich werden, gab ich es den Menschen zurück. Sie können sich ruhig um ihren eigenen Müll kümmern.
Fae-Probleme sind dagegen eine andere Sache, da meine Loyalität Sylvester gilt und meine Handlungen selbst jetzt noch auf ihn zurückfallen. Ich bin sein Ritter, was bedeutet, dass ich Fae-Problemen bis zum Ende nachgehen muss, ganz gleich, wie schlimm sie sein mögen. Der vorliegende Fall war ein Fae-Problem. Ob es mir gefiel oder nicht, es bedurfte einer Fae-Lösung.
Ein Teil des Blutes auf dem Teppich war noch so feucht, dass es durch die Knie meiner Jeans drang. Ich fuhr mit einem Finger so über einen der tieferen Flecken, dass frisches Blut durch die Fasern quoll.
Meine Mutter ist eine Daoine Sidhe. Das bedeutet: Ich bin es ebenfalls, wenn auch stark vermindert. Es gibt Möglichkeiten, mit den Toten zu reden, die nahezu exklusiv uns vorbehalten sin d – oder wenn ich schon nicht mit ihnen reden konnte, dann war doch zumindest das Erlangen eines besseren Verständnisses möglich. Evenings Blut konnte mir einen Geschmack von ihrem Tod vermitteln. Der Körper war verschwunden, aber das Blut würde sich daran erinnern. Blut erinnert sich immer.
Ich hob den Finger an die Lippen.
Blutmagie ist gefährlich, weil sie das Gehirn überspringt und direkt in die Eingeweide fährt. Handelt es sich um jemanden, der so schwach ist wie ich, kann man von Glück sagen, wenn es nicht dazu kommt, dass dieser Jemand versucht, vom Dach eines zehnstöckigen Gebäudes zu fliegen. Von allen Nachkommen Titanias können allein die Daoine Sidhe den Tod anderer anhand des Geschmacks ihres Blutes messen; alle anderen, die über diese Fähigkeit verfügen, stammen von Maeve und den dunklen Trieben der Fae ab. Evening stellte für mich das fünfte Mal dar. Allerdings wird es mit Übung nicht besser.
Die Welt verkrümmte sich so weit, bis ich die Wohnung durch einen rotstichigen Nebel betrachtete. Die Polizei und der Leichnam waren verschwunden; so hatte die Welt durch Evenings Augen kurz vor dem Ende ausgesehen. Es war so verwirrend, als versuchte man, nach drei Bieren gerade zu laufen, aber nicht schmerzhaft. Das Wissen, dass die Rückkehr aus diesem Zustand schlimmer als ein Kater sein würde, lauerte am Rand meines Bewusstseins, aber ich verdrängte es und zwang mich, tiefer in das Rot einzutauchen.
Jäh wurde das Bild scharf, und der Raum präsentierte sich sauber, makellos und unbefleckt von jeglichen Anzeichen auf einen Kampf. Eine warme Woge der Zufriedenheit durchflutete mich. Alles befand sich dort, wo es hingehörte.
Vor allem der Schlüssel.
Ich löste mich aus dem Schleier von Evenings Erinnerungen und fuhr mit den Fingern erneut über den blutigen Teppich. Schlüssel? Welcher Schlüssel? Ihr Blut schmeckte zugleich bitter und süß, und meine Sicht verschwamm, als ich zurück in die Augenblicke vor Evenings Tod geschleudert wurde.
Die Tür fliegt geräuschvoll auf, aber es spielt keine Rolle; sie sind zu spät dran. Das weiß ich, als ich mich ihnen mit dem Telefon in der Hand zuwende. October weiß Bescheid, und sie wird kommen, um Antworten zu suchen. Sie sind zu spät dran, zu spät, um den Schlüssel mitzunehmen. October wird gewiss finden, was für sie zurückgelassen wurde, und sie wird diesem Hohn ein Ende bereite n …
Ein Erinnerungsblitz, der nicht mir gehörte, zuckte durch die Bilder, die mir das Blut zeigte.
Ich reichte einem kleinen, geflügelten Wesen – einem Luftgeist? Woher kam der Luftgeist ? – einen Schlüssel, und es nahm sich eine Blutgabe aus meiner Handfläche, indem es mit den Fingern über den leichten Schnitt fuhr, den ich dort geöffnet hatte. Dann flog es weg, sprang mit dem Schlüssel in den Armen aus dem Fenster. Nun machte ich ein letztes Telefonat und rief October an, die es zwar nie verstehen, dies aber letztlich doch beenden wird. Und die Tür flog auf, und ich kreischte, und dan n …
Dann setzten die Schmerzen ein.
Die Erinnerungen von Toten nachzuvollziehen ist selbst im besten Fall noch unangenehm. Was immer sie empfanden, empfindet man nach, und es besteht ständig die Gefahr, dass man nicht früh genug loslässt. Ihnen in den Tod zu folgen ist, als rase man mit einer Achterbahn in die Hölle. Hat man Glück, kehrt man unter
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