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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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eingeschätzt hatte. Ich bog um eine Ecke, stieg über ein Himmel-und-Hölle-Muster, das ein Kind mit Fingerfarben auf den Marmorboden gemalt hatte, und öffnete willkürlich eine Tür. Die Wände des Flurs auf der anderen Seite waren mit einem geschmacklosen Muster aus Senfgelb und blühendem Heidekraut tapeziert. Zufrieden damit, dass die Richtung stimmte, nickte ich und ging weiter.
    Als ich zum ersten Mal nach Schattenhügel kam, war ich neun Jahre alt. Anfangs erfüllte mich Ehrfurcht, dann Verärgerung, und schließlich verirrte ich mich. Die Gänge verlaufen ineinander verschlungen und zu langen, unmöglichen Kurven gekrümmt; Türen, die man kennt, führen an Orte, an denen man nie gewesen ist, und andere, die am Vortag noch nicht vorhanden waren, geleiten einen dorthin zurück, wo man begonnen hatte. Es ist ein riesiges Labyrinth mit Sinn für Humor, und es kann wirklich nervig sein. Ich habe gelernt, mich zurechtzufinden, indem ich mir markante Plätze einpräge und Übung mit schierem Glück kombiniere. Dennoch ertappe ich mich manchmal bei dem Wunsch, einen Beutel voller Brotkrumen dabeizuhaben.
    Die gelben und purpurnen Wände wichen schlichtem Stein. Kopfsteinpflaster ersetzte den gefliesten Marmorboden. Rosenkobolde beobachteten mich von Fenstersimsen und den Winkeln der Räume aus. Sie nahmen die Stelle der ansonsten in Mugeln verbreiteten Katzen ein. So ironisch es sein mag, aber Sylvester ist allergisch gegen Katzen. Zum Glück bieten die Gärten seiner Frau reichlich stacheligen Ersatz für sie. Rosenkobolde sehen aus wie Katzen, verhalten sich ähnlich und verlieren Dornen statt Haare. Geeignete Haustiere für Allergiker.
    Ein Großteil von Schattenhügel grenzt an Kitsch, aber Lunas Gärten wiegen das auf. Sie besitzt mindestens ein Dutzend und kümmert sich um alle höchstpersönlich. Dabei sind Kitsune für ihre gärtnerischen Fähigkeiten an sich nicht sehr bekannt. Luna verkörpert eine Besonderheit. Wenn sie die Herzogin spielt, gleicht sie einer Gänsehirtin in Fürstinnenkleidern, aber unter den Blumen ist sie eine Königin. Sie verneigen sich beinah, wenn Luna an ihnen vorübergeht.
    Der dritte Flur, den ich entlanglief, endete unmittelbar nach der Winterküche an einer schlichten Holztür mit einer Rose aus Buntglas in Augenhöhe. Lächelnd schob ich die Tür auf und betrat den Garten der Glasrosen.
    Alles, was Luna berührt, gedeiht, aber Rosen sind von jeher ihr Stolz und ihre Freude. Der Garten der Glasrosen ist gänzlich umschlossen und füllt einen runden Raum mit weißen Marmorwänden, die in etwa drei Metern Höhe in eine Filigrankuppel aus Silber und Glas übergehen. Wege aus weißem, zerstoßenem Quarz glitzern im Sonnenlicht, das durch die Rosen dringt, und entfachen einen Schimmer von Prismafarben. Und überall blühen Rosen in wilder, scheinbar zügelloser Hülle und Fülle. Ihre leichte Transparenz wirkt auf den ersten Blick sonderbar, bis der Verstand akzeptiert, was das Auge sieht: Jede Blume, jedes Blütenblatt und jede Knospe ist lebendig, besteht aus wachsendem Glas, durchsetzt mit Schlieren makelloser Farbe. Am besten finde ich, dass Glasrosen keinen Duft besitzen. Dieser Garten gehört zu den ausgesprochen raren Plätzen in Schattenhügel, an denen es nicht nach Rosen riecht.
    Ich zog meinen Rock vor den Dornen zurück, die sich danach streckten, und folgte dem nächsten Pfad zu einer Bank aus demselben unverzierten Marmor, aus dem auch die Wände bestanden. Kleider sind zum Tanzen gedacht, nicht aber dafür, zwischen Rosen umherzuschlender n – in der Regel meide ich nach Möglichkeit beides. Mit einem Stöhnen setzte ich mich und stützte den Kopf auf die Hände.
    Dieser Fall glich einer Trickbox: Jedes Mal, wenn ich ein Stück beiseiteschob, wartete dahinter ein weiteres. Die menschliche Logik war noch nie in der Lage, mit dem Wahnsinn von Faerie zurechtzukommen, und ich dachte schon zu lange wie ein Mensch, denn je länger ich die Dinge betrachtete, desto weniger Sinn schienen sie zu ergeben. Evening hatte mit Devin zusammengearbeitet, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, als sie der Hoffnungslade wegen, die sie irgendwie versteckt haben musste, getötet wurde. Sylvester hatte der Mord überrascht, Raysel hingegen hatte nur gelacht. Die Königin der Nebel wollte mir nicht helfen, obwohl Evening ein Reinblut war, und sie wollte auch nicht, dass ich nach Antworten suchte. Was um alles in der Welt ging da vor sich?
    Nichts ergibt je zuverlässig Sinn, wenn Fae in etwas

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