October Daye: Winterfluch (German Edition)
ihm mitzuteilen. Und das war das Letzte, was ich tun wollte.
»Wir haben gehört, dass der Winterball im Mugel der Königin in zwei Wochen enden soll«, ergriff Connor das Wort, der gerade das Podium verlassen hatte und sich neben Rayseline stellt e – seine Gemahlin. Sie grinste mich an, ließ Sylvesters Arm los und hakte sich stattdessen bei Connor unter. »Bitte sag nicht, dass du endlich beschlossen hast, uns zu besuchen, weil du dachtest, wir hätten die neueste, aufregende Ausgabe des Mitteilungsblatts des Königreichs verpasst. Hallo, Toby.«
»Hallo, Connor«, gab ich zurück und lächelte trotz der Betrüblichkeit der Neuigkeit, die ich zu verkünden hatte. Es ist schwierig, nicht zu lächeln, wenn man Connor ansieht.
Man nehme einen typischen Surfertypen aus Kalifornien, verpasse ihm einen braunen, robbengrau melierten Bürstenhaarschnitt, so dunkelbraune Augen, dass sie beinah schwarz erscheinen, Finger mit leichten Schwimmhäuten und tief gebräunte Haut, und schon hat man Connor O’Dell. Er war der Unterseebotschafter an Sylvesters Hof, als ich hier gedient hatte. Wir ware n … befreundet. Gut befreundet. Wir hätten sogar mehr als Freunde werden können, hätte seine Familie keine Einwände gegen die Vorstellung gehabt, dass er etwas mit einem Wechselbalg anfangen könnte. Deshalb war es nie über einige süße Begegnungen mit etwas Fummeln in den über den Mugel verstreuten Gärten hinausgegangen. Er hatte gesagt, es täte ihm leid; ich hatte dasselbe erwidert. Dann hatte ich mich von einem menschlichen Mann auffangen lassen, der niemals gesagt hätte, er könne mich nicht lieben, weil mein Blut nicht rein genug sei.
Ich habe Connor nie zum Vorwurf gemacht, wie sich die Dinge entwickelt haben. So ist es nun mal für Wechselbälger in einer Reinblütlerwelt. Nach Hause zu kommen und zu erfahren, dass er mit Rayseline Torquill verheiratet war, schockierte mich, doch es verringerte die Zuneigung zu dem Mann keineswegs. Wahrscheinlich würde ich mich noch von seiner Frau dabei ertappen lassen, wie ich ihm auf den Hintern starrte.
Indes blickte Sylvester nur verwirrt drein. »Nein«, sagte er. »Wir haben keine Neuigkeiten gehör t – zumindest keine, die bedeutend genug wären, um dich zu uns zurückzuführen. Was ist denn los, Toby? Nicht, dass ich nicht vor Freude außer mir wäre, dich zu sehen, abe r … warum bist du hier?«
Ich schluckte. »Also habt Ihr nichts über die Gräfin von Goldengrün gehört?«
Sylvesters Verwirrung steigerte sich. »Evening? Nein, nichts. Stimmt etwas nicht?«
»Ob etwas nicht stimmt?« Ich verkniff mir ein an Hysterie grenzendes Kichern. »Das kann man wohl sagen. Etwas stimmt ganz und gar nicht.«
»Ist sie verletzt?«
»Nein. Nein, sie is t … Euer Gnaden, Evening wurde vergangene Nacht umgebracht. Sie ist tot.«
Luna legte die Ohren flach an den Kopf an. »Tot?«, flüsterte sie.
Raysels plötzliches Gelächter kam jeder Antwort zuvor, die ich hätte geben können. Wir alle drehten uns ihr zu und starrten sie an, als sie den Arm ihres Mannes losließ und auf der Woge ihrer Belustigung aus dem Saal fegte.
»Wa s … ?«, setzte ich an.
»Connor, geh mit ihr«, sagte Luna. Es klang nach mehr als einer Bitte.
Connor nickte traurig, steckte die Hände in die Hosentaschen und stapfte hinter seiner Frau her. Im Vorbeigehen sah er mir in die Augen; seine Miene wirkte betrübt, fast niedergeschlagen. Raysel war diejenige, die Kitsune-Blut besaß, aber er war derjenige, der wie ein geprügelter Welpe dreinschaute.
Zu dritt standen wir eine Weile betreten schweigend da, dann blickte Luna zu Sylvester und sagte: »Sie ist noch ein wenig labil wegen diese r … wegen allem. Meine Familie war schon immer anfällig fü r … na ja. Wir erholen uns nicht besonders schnell von Dingen der Art, die sie zu durchleben gezwungen war. So sind wir nun mal.« Während sie sprach, trat sie von einem Bein aufs andere und mied meinen Blick.
Niemand schien zu wissen, welche »Dinge« Luna und ihre Tochter in ihrer Abwesenheit widerfahren waren, aber der gehetzte Ausdruck in Lunas Augen verriet mir, dass sie womöglich schlimmer gewesen waren, als ich mir vorstellen konnte. »Natürlich«, sagte ich und fühlte mich irgendwie verlegen, weil ich Zeugin von Raysels Gefühlsausbruch gewesen war. Ich wandte mich Sylvester zu.
Ihm war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen, und er zitterte. Raysels dramatischen Abgang schien er gar nicht bemerkt zu haben. »Tot?«, stieß er
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