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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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überlegte, ob ich direkt landeinwärts gehen sollte, durch den Hekate-Canyon, wo Kojoten umherstreiften und
wo Arliss Clerebold, der irre Kunstlehrer, mindestens zwei seiner jugendlichen Opfer verscharrt hatte.
    Nein danke.
    Entschlossen ergriff ich mit der linken Hand die Ledertasche und musste mich sofort nach rechts neigen, als stünde ich noch auf dem schiefen Deck. Dann folgte ich dem Strand nach Norden, ohne mich zu weit vom Wasser zu entfernen. In der weißen Wildnis war die Brandung meine einzige Orientierung.
    Auf dem GPS-Bildschirm des Schleppers hatte ich eine halbmondförmige Bucht gesehen, an der die Schlucht ins Meer mündete. An ihrem nördlichen Ende schloss sie an den Strand an, der sich an der Stadt entlang bis zum Hafen hin erstreckte. In wenigen Minuten hatte ich ihn erreicht.
    Ein Stück weit sah ich rechts von mir Klippen, die allmählich niedriger wurden. Ich ging daran entlang, bis das Gelände völlig flach geworden war, dann marschierte ich landeinwärts. Als ich die malerische Betonpromenade von Magic Beach erreicht hatte, folgte ich ihr weiter nach Norden.
    Ich war erschöpft, was angesichts der Ereignisse kein Wunder war. Am liebsten hätte ich mich einfach auf die Promenade gelegt, um mich auszuschlafen. Die Inlineskater, die sich morgens hier austobten, hätten mich schon nicht überrollt; schließlich waren sie es gewohnt, ständig alten Männern mit Spazierstöcken und kleinen alten Damen mit Gehwagen auszuweichen.
    Mein Zustand allein erklärte jedoch nicht, wieso es mir immer mehr Mühe machte, die Ledertasche zu schleppen. Natürlich kam einem eine schwere Last immer schwerer vor, je weiter man sie trug, aber so einfach war die Sache nicht. Schließlich trug ich das Ding kaum zehn Minuten, und es
fühlte sich schon doppelt so schwer an wie in dem Augenblick, als ich es über die Reling bugsiert hatte.
    Vorsichtig näherte ich mich Hutch Hutchisons Haus von hinten. Wegen Rolf Utgard musste ich mir zwar keine Sorgen mehr machen, und Hoss Shackett raufte sich wahrscheinlich anderswo die Haare und überlegte sich, ob er sich durch eine Schönheitsoperation unkenntlich machen lassen konnte, aber womöglich hatten die beiden rothaarigen Brüder noch nichts von den neuesten Entwicklungen gehört und erwarteten mich wie zwei Spinnen im Netz.
    Nachdem ich mich durch das Tor neben der Garage geschlichen hatte, musste ich die Ledertasche schon mit beiden Händen tragen. Inzwischen fühlte sie sich an, als enthielte sie das Klavier, das Laurel und Hardy nie die enge Treppe hinaufbrachten.
    Auf der Terrasse angelangt, stellte ich die Tasche neben die gusseisernen Gartenmöbel. Ich musste die Schultern kreisen lassen und die Arme dehnen, um die Knoten aus meinen Muskeln zu bekommen.
    Anschließend lehnte ich mich an die Ecke der Garage und klappte das Handy auf, das mir Birdie Hopkins geliehen hatte. Als ich die Höhle des glücklichen Monsters anwählte, nahm Annamaria beim dritten Läuten ab.
    »Ich bin’s«, sagte ich. »Wo ist Blossom?«
    »Die macht gerade Popcorn. Was für ein lieber Mensch!«
    »Ich wusste, dass du sie magst.«
    »Sie wird immer bei mir sein«, sagte Annamaria, womit sie offenbar ausdrücken wollte, sie werde Blossom Rosedale nie vergessen. Eine merkwürdige Ausdrucksweise, dachte ich.
    »Ich komme dich bald abholen«, sagte ich. »Innerhalb einer Stunde. Wir müssen die Stadt verlassen. Ich hoffe, du bist damit einverstanden.«

    »Es kommt, wie es kommt.«
    »Jetzt geht das schon wieder los!«
    »Du bist mein Beschützer, und ich bin dein Schützling. Wir tun, was du für das Beste hältst.«
    Ich wusste nicht, wieso ich nun ein größeres Gewicht auf mir lasten fühlte als vorher auf dem Todesboot, als ich allein für vier Atombomben und deren Zünder verantwortlich gewesen war.
    Da ich keine Antwort zustande brachte, sagte Annamaria: »Es steht dir jederzeit frei, dein Versprechen zurückzuziehen.«
    In der Erinnerung sah ich sie im Licht der Öllampen: Bist du bereit, für mich zu sterben?
    Ich hatte Ja gesagt und das dargebotene Glöckchen angenommen.
    »Nein«, sagte ich, »ich bleibe bei dir, egal, wohin dies führt. Bis zum Ende. Wir verlassen die Stadt. Innerhalb einer Stunde bin ich da.«
    Ich klappte das Handy zu und schob es in die Hosentasche.
    Obwohl Ozzie Boone meine schriftstellerischen Versuche betreut hat und obwohl ich nach drei vollendeten Manuskripten inzwischen eine gewisse Routine habe, fehlen mir die Worte, um das seltsame Gefühl zu

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