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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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beschreiben, das mich damals überkam.
    Ich bin - unter anderem - ein Killer. Kein Mörder, aber doch ein Killer. Und ein Narr. Das einzige Kind einer wahnsinnigen Mutter und eines in sich selbst verliebten Vaters. Ein gescheiterter Held. Ein verwirrter Junge. Ein ruheloser Mann. Ein Typ, dessen Leben ständig im Fluss ist. Ein Suchender, der den Weg nicht finden kann.
    Niemand sollte jemandem wie mir einen Schatz anvertrauen, und doch war das geschehen. Ob Annamaria selbst
einer war oder ihr Kind, oder ob dieser Schatz sich als etwas ganz anderes entpuppen würde, das war nicht so wichtig. Offenbar glaubte sie, einen Schatz zu besitzen, der geschützt werden musste, und ihre Überzeugung war so stark, dass sie auch mich überzeugte.
    Obwohl ich mir meiner Unzulänglichkeiten nur allzu bewusst war, ahnte ich, dass es meine Pflicht war, die Herausforderung anzunehmen. Das Gefühl aber, das ich nicht beschreiben kann, war eine namenlose Emotion jenseits der Demut, eine Ehrerbietung, die wesentlich größer war als das, was bescheidene Menschen im Schatten der Mächtigen fühlten. Und eine grenzenlose Verantwortung.
    Weshalb ich dies alles fühlte, wusste ich nicht, weil ich nicht wusste, wozu ich mich verpflichtet hatte. Im Herzen wusste ich es vielleicht doch, sperrte mich aber dagegen, es zu erkennen, aus Angst, dass die Wahrheit mich lähmen würde, wenn ich nicht sogar ganz versteinerte.

42
    Für den Fall, dass die rothaarigen Schlägertypen Hutch aufgesucht hatten, von seiner Darbietung nicht überzeugt gewesen waren und sich bei ihm häuslich niedergelassen hatten, um auf mich zu warten, untersuchte ich die Pistole, die ich Valonia abgenommen hatte. Das zehnschüssige Magazin enthielt neun Patronen. Ich schaltete die Sicherung aus.
    Wahrscheinlich hatte ich gerade zu viel Zeit auf hoher See verbracht, denn ich murmelte: »So, jetzt wird klar Schiff gemacht!«
    Der Plastikbeutel in dem Blumentopf mit Alpenveilchen. Der Schlüssel im Beutel.
    Die Hand an den Türknauf. Leise! Der feine Zimtduft meiner Kekse. Das goldene Leuchten der Strahler unter den Fußblenden der Küchenschränke.
    Alles, wie es sein sollte. Das war nie ein gutes Zeichen. Diesmal nicht nur in Unterhosen, durchquerte ich die warme Küche und betrat vorsichtig den Flur.
    Als ich durch die offene Tür des Wohnzimmers spähte, sah ich Hutch wie vorher in seinem Sessel sitzen. Der Chenilleschal lag auf seinem Schoß, doch das Buch hatte er beiseitegelegt. Er schnarchte leise.
    Ich legte den Sicherungshebel der Pistole um und steckte sie in die Tasche.

    Während ich weg gewesen war, hatte Hutch sich offenbar in der Küche das Essen warmgemacht und war dann ins Wohnzimmer zurückgekehrt, um fernzusehen. Auf dem Bildschirm flimmerte ein alter Film, in dem er mitgespielt hatte. Den Ton hatte er abgestellt.
    Ich stand da und betrachtete die stummen Bilder.
    Die weibliche Hauptrolle hatte die wunderbare Deborah Kerr gespielt. Sie war so schön wie in Leben und Sterben des Colonel Blimp , so fesselnd wie in Die große Liebe meines Lebens , so elegant wie in Bonjour Tristesse , so frisch und unschuldig wie in Die schwarze Narzisse .
    In jenen Tagen hatte Hutch noch nicht wie ein Storch ausgesehen. Mit seiner imposanten Statur und seiner Mähne war er ein Löwe auf dem Bildschirm gewesen, bevor die Zeit sein edles Profil in eine Karikatur mit Hakennase und stumpfem Kinn verwandelt hatte.
    Man hörte zwar nicht, welche Worte Deborah Kerr und er gerade wechselten, doch die Szene ging trotzdem unter die Haut. Er hielt sie sanft an den Schultern, sie blickte zu ihm hoch, und die Situation steigerte sich genauso konsequent zu einem Kuss, wie Donner auf Blitz folgte.
    »Sie war fantastisch«, sagte Hutch. Während ich gebannt die schwarz-weißen Bilder betrachtete, war er aufgewacht.
    »Waren Sie denn in sie verliebt, Sir?«
    »O ja. Sehr sogar. Aus der Distanz. Sie war unberührbar. Eine echte Dame. So etwas gibt es heute nicht mehr.«
    Da kam der Kuss. Noch ein paar Worte. Ein zweiter Kuss. Überblendung auf ein Schlachtfeld in Europa.
    Hutch seufzte. »Da geht ein halbes Jahrhundert vorüber, und es kommt einem wie ein Jahr vor. Vergeude bloß keine einzige Stunde mit Langeweile, Junge, oder damit, an morgen zu denken!«

    »Ich tue mein Bestes, um mich zu beschäftigen«, versicherte ich ihm.
    Er setzte sich in seinem Sessel auf. »Leider muss ich dir sagen, dass niemand nach dir gefragt hat.«
    »Da bin ich aber echt erleichtert.«
    »Ich nicht. Ich hätte

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