Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
Vom Netzwerk:
ihnen ins Präsidium zu fahren. Wir haben Sie nur hierhergebracht. Wir haben Sie gebeten, mit uns zu fahren. Wir haben Sie gefragt, ob wir Ihre Fingerabdrücke nehmen dürfen. Wir haben Sie gefragt, ob es Ihnen etwas ausmachen würde, ein paar Fragen zu beantworten.«
    »Na dann«, meinte ich, »darf ich dann gehen?«
    »Das nun nicht unbedingt. Wir dürfen Sie auf der Polizeistation behalten für …«
    »… eine angemessene Zeitspanne, um mich zu befragen. Gut. Ich bin jetzt seit ungefähr sechzehn Stunden in Ihrem Gewahrsam. Wenn Sie mich noch wesentlich länger ohne eine Anklage festhalten, könnte die Jury das ganz schön ärgerlich finden, wenn wir vor Gericht stehen.«
    »Wenn.«
    »Sie haben keinen Grund mehr, mich noch länger hier festzuhalten. Ich habe all Ihre Fragen beantwortet. Sie hatten genug Zeit, um mein Haus und mein Büro gründlich zu durchsuchen, Sie brauchen mich also nicht hier festzuhalten, um mich davon abzuhalten, eventuelles Beweismaterial zu vernichten. Sie wissen, wo Sie mich finden können, falls Sie beschließen sollten, mich wieder in Gewahrsam zu nehmen. Es besteht kein Fluchtrisiko. Mein Gesicht ist auf jedem Nachrichtensender zu sehen, und selbst wenn ich kein Geldproblem hätte, wäre es ziemlich schwierig für mich, mir eine Brille und eine Pappnase aufzusetzen und in den nächsten Flieger nach Rio zu hüpfen.«
    Gables anfängliche Überraschung schlug in Gereiztheit um.
    »Teilen Sie der Staatsanwältin also bitte mit, dass es mit meiner Zusammenarbeit vorerst vorbei ist«, fuhr ich fort. »Entweder sie geht jetzt aufs Ganze und lässt mich verhaften – oder sie lässt mich wieder in mein altes Leben zurück.«
    Gable beugte sich tief zu mir hinunter und knabberte an seiner Lippe. »Sie haben es die ganze Zeit gewusst. Sie haben das geplant.« Er starrte mich mit einer Mischung aus Hass und Amüsement an. »Sie haben mit Ihrem Anwalt telefoniert, stimmt’s?«
    Ich antwortete nicht.
    »Toller Anwalt«, bemerkte er.
    »Der beste.«
    »Ich muss jetzt auch mal telefonieren gehen. Ich bin dann gleich mit der Antwort zurück. So oder so.«
    Die Tür schloss sich, und ich war allein im Raum mit dem Pochen im Schädel und meinem trübseligen Spiegelbild im Einwegspiegel. Ich sah grauenvoll aus, und selbst das war noch geschmeichelt. Mein Gesicht war blass und aufgedunsen, unter den Augen hatte ich dunkle Ringe. Mein Haar war zerstrubbelt, weil ich die ganze Zeit nervös daran herumgezupft hatte. Meine Gelenke schmerzten. Ich beugte mich vor und rieb mir mit den Handballen die Augen.
    Vielleicht würde ich nie wieder nach Hause kommen.
    Hatten wir in Kalifornien eigentlich die Giftspritze oder den elektrischen Stuhl?
    Wie zum Teufel war ich hier gelandet?
    Von rechts hörte ich ein Knarren, dann stand Gable auf der Schwelle. Verzweifelt versuchte ich, die Antwort von seinem Gesicht abzulesen. Es war verschlossen und verächtlich.
    Wortlos drehte er sich um, versetzte der Tür einen Stoß, so dass sie weit aufflog, und ging davon. Die Tür krachte gegen die Flurwand und ging dann leise zitternd wieder ein Stückchen zu, wobei sie ein stimmgabelähnliches Geräusch von sich gab.
    Ich saß auf meinem Stuhl und beobachtete die vibrierende Tür. Dann stand ich auf und ging hinaus. Gable war nirgends zu sehen. Die Plastikwanne mit meinen Besitztümern stand vor der Tür auf dem Boden, das Prepaidhandy obenauf, so dass es jeder sehen konnte. Ich suchte nach meinem Sanyo, bis mir einfiel, dass Sally es mitgenommen hatte, um sich Teile der Filme noch einmal anzusehen. Meine Knie knacksten laut, als ich in die Hocke ging, um den Behälter hochzuheben und unter den Arm zu nehmen. Die Aufzüge lagen am Ende des Korridors. Ich hörte das Echo meines Atems in meinem eigenen Schädel, während ich auf sie zuging, jeden Moment darauf gefasst, dass mich gleich jemand packen und verurteilen würde – wie eine Begnadigung in letzter Sekunde, bloß umgekehrt.
    Aber ich erreichte die Fahrstühle ungehindert. Sobald die Türen hinter mir zugeglitten waren, lehnte ich mich mit weichen Knien gegen die Wand. Die Fahrt ins Erdgeschoss dauerte eine halbe Ewigkeit. Als sich die Türen öffneten, wartete auch dort niemand, um mich zu schnappen. Langsam durchquerte ich die Lobby und trat durch die massive Eingangspforte in die Abenddämmerung hinaus. Eine schmutzige Brise kam von der Straße hoch, aber die Luft fühlte sich geradezu frühlingsfrisch in meinen Lungen an. Das Prepaidhandy warf ich in den

Weitere Kostenlose Bücher