Oder sie stirbt
meiner Besprechung in die Schule aufbrach. Aus der Küche rief Ariana: »Wie wär’s mit pochierten Eiern?«
»Ich glaube nicht, dass ich was runterkriege.«
»Ich auch nicht. Aber ich dachte mir, es wär vielleicht eine gute Idee, wieder ganz normalen Alltag zu spielen.«
Ich schwieg demonstrativ, und eine Sekunde später hörte ich am Klicken, dass sie den Störsender wieder eingeschaltet hatte. Nach sechzehn gemeinsamen Jahren hatte sie geradezu unheimliche telepathische Fähigkeiten entwickelt. Ich rief: »Ich bin gleich wieder zurück. Ich will kurz raus und mit Keiths Paparazzo-Stalker reden. Er steht vor der Tür.«
»So was nennt man wohl, ›die Karten spielen, die man auf der Hand hat‹.«
Als ich auf die Veranda trat, wurden mehrere Autotüren geöffnet und wieder zugeschlagen, dann trabten ein paar Jungs auf mich zu, schwenkten ihre Kameras und zogen Kabel hinter sich her. Eine Reporterin riss sich den Papierkragen ab, den die Visagistin ihr angelegt hatte, und stolperte auf wackligen hohen Absätzen auf mich zu. Ich fühlte mich hilflos exponiert im hellen Sonnenlicht, aber ich musste mich der Welt stellen, und das konnte ich bestimmt nicht, indem ich mich zu Hause einsperrte und die Vorhänge zuzog. Auf gut Glück ging ich bis zum Bürgersteig. Tatsächlich fuhr ein Van vor, und die Tür wurde von innen geöffnet. Ich stieg ein, und wir fuhren davon. Joe saß geduckt am Steuer, rauchte und summte und trommelte ein Stück von Led Zeppelin mit, das in seinem miesen Autoradio lief. Sein glänzender Schädel schimmerte durch das schüttere gelbliche Haar, das er sich hinten wachsen lassen wollte, um einen Pferdeschwanz binden zu können, was aber noch nicht ganz geklappt hatte. Der Van war für längere Observationen eingerichtet – Kühltasche, Schlafsack, Kochplatte, Kamera mit riesigem Teleobjektiv, Stühle, stapelweise Zeitschriften und Zeitungen, und dazwischen ein paar Pornos.
Er fuhr einmal um den Block, hielt dann am Straßenrand und kam nach hinten zu mir. Im Teppich hing der Geruch von Räucherstäbchen. »Du bist ja schwer gefragt.«
»Ich möchte mit dir über Keith reden.«
»Lass mich raten: Du hast es nicht getan.«
»Nein, hab ich auch nicht«, bestätigte ich.
»Warum gibst du dich mit einem Drecksack wie mir ab?«
»Ich muss wissen, was Keith in den Tagen vor seiner Ermordung am Start hatte. Und wahrscheinlich hat ihn niemand so genau beobachtet wie du.«
»Da hast du recht. Ich kenne jedes Café und jedes Büro seiner Produzenten und jede Mieze, die er um Mitternacht für einen kurzen Fick besucht. Hey, ich kenne sogar jede Reinigung, in der seine Hemden jemals zu Besuch gewesen sind.« Sein Handy gab einen altmodischen Klingelton von sich, und er klappte es auf. »Joe Vente.« Er kaute auf seiner aufgesprungenen Lippe herum. »Britney oder Jamie Lynn? Bowling? Was hat sie an? Wie viele Frames haben sie noch?« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, dann rollte er genervt mit den Augen. »Das ist doch die Fahrt nicht wert. Ruf mich nächstes Mal gleich an, wenn sie auftauchen.« Das Telefon verschwand wieder in einer Tasche, und er bleckte die Zähne zu einem Grinsen. »Mal wieder ein toller Tag heute.«
»Hatte Keith jemals mit einer Firma namens Ridgeline Incorporated zu tun?«
»Nie gehört.«
»Kennst du seine Lifestyle-Beraterin?«
»Seine Lifestyle-Beraterin?« Er schnaubte. »Meinst du diese heiße blonde Zicke? Klar kenn ich die.«
»Kannst du mir ihre Adresse besorgen?«
»Ich kann dir alles besorgen, was du willst.«
Ich wartete. Dann wartete ich noch ein bisschen. Bis ich schließlich fragte: »Und was kriegst du dafür von mir?«
»Fotos von dir. Und dazu einen absolut detaillierten Bericht, was in diesem Hotelzimmer passiert ist. Für die morgige Ausgabe.«
»Unmöglich. Nicht schon morgen. Aber ich kann dir eine Exklusivstory versprechen, sobald die Sache richtig losgeht.«
»Wenn sie richtig losgeht? In meiner Branche interessieren wir uns nur für
morgen.
Niemand bezahlt mich, wenn ich zu spät komme. Wenn die Story richtig losgeht, kriegt sie ja jeder. Dann dreht sich nämlich alles nur noch um die Gerichtsverhandlung und die Presseverlautbarungen, da gibt es keine Insider-Storys mehr. Je länger sich die Sache hinzieht, umso größer muss der Nachrichtenwert sein, um überhaupt noch jemanden hinter dem Ofen hervorzulocken.«
»Nachrichtenwert?«
»Du weißt schon: legale Neuigkeiten, und ich benutze das Wörtchen ›legal‹ mit aller
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