Oder sie stirbt
»wir stehen es zusammen durch.«
Sie schlang ihren Arm fester um meine Brust, und mein Beschützerinstinkt rührte sich wieder, stärker denn je zuvor.
»Sie haben nicht damit gerechnet, dass ich aus dem Gefängnis komme«, sagte ich. »Ich sollte uns beiden Waffen besorgen.«
»Kannst du denn schießen?« Ihre Haare machten ein leises Geräusch auf meiner Brust, als sie zu mir hochsah. »Ich auch nicht. Und ich bezweifle, dass die Familie Davis in absehbarer Zukunft eine Waffenlizenz kriegen wird. Außerdem glaube ich nicht, dass wir ausgerechnet diese Woche eine nicht registrierte Waffe in unserer Nähe brauchen.«
»Sie sind aber immer noch da«, sagte ich. »Und niemand fahndet nach ihnen. Während du drauf wetten kannst, dass sie
uns
beobachten.«
»Ja«, erwiderte sie, »aber das tun alle anderen auch.« Über unserer dunklen Zimmerdecke beschrieb ein Helikopter einen weiten Bogen, das gleichmäßige Geräusch der Rotorblätter steigerte sich zu einem Heulen, dann wurde es immer schwächer. »Und das heißt, dass wir zumindest heute Nacht in Sicherheit sind. Niemand wird sich hier reinschleichen und uns bedrohen, während da draußen die Riesenscheinwerfer das ganze Grundstück ausleuchten. Beobachtet zu werden hat auch seine Vorteile. Alles, was man uns im Moment um die Ohren haut, müssen wir zu unserem Vorteil nutzen. Nur so kommen wir da raus.«
»Man muss die Karten spielen, die man auf der Hand hat.«
»Detective Richards hat es dir schon gesagt – es gibt noch ein paar Fragen, auf die wir eine Antwort finden müssen, bevor die Jury über dich berät.«
»Wer wollte Keith Conner tot sehen? Wer hat von seinem Tod profitiert? Wer ist dieser linkshändige Kerl mit den Danner-Stiefeln Größe 45 , in deren Profil ein Kiesel steckengeblieben ist?«
»Ich werd mich morgen nach einem Strafverteidiger umsehen.«
»Und ich werde weiter nachforschen«, sagte ich. »Wenn ich etwas Handfestes finde, werden Sally und Valentine mir zuhören müssen.«
»Oder wir finden jemand anders, der uns zuhört.«
Ich legte mich neben sie. Durch die heruntergelassenen Jalousien drang immer noch Mondlicht, das einen fahlen Schein auf unsere Decken warf. Ariana lag auf dem Bauch und hatte mir den Kopf zugedreht, ich war ihr ebenfalls zugewandt. Die Linie, wo ihre Haut auf die Matratze traf, halbierte ihr Gesicht der Länge nach. Ich hatte die Hand neben meiner Wange flach aufs Laken gelegt. Ihre neben meiner. Wir starrten uns an, zwei Teile eines Ganzen. Ich konnte ihren Atem auf meinem Gesicht spüren, während ich sie betrachtete. Da lag sie nun vor mir. Das Herz, das in dieser Nacht am nächsten an meinem schlug, und wahrscheinlich auch in jeder anderen Nacht der vergangenen elf Jahre. Ihre dunklen Locken lagen auf dem Kissen, das sie nach oben ans Kopfteil geschoben hatte. In den Augenwinkeln sah man erste Andeutungen von Krähenfüßen. In den letzten paar Jahren hatte ich zugesehen, wie sie allmählich zutage getreten waren, und sie gehörten mir ebenso sehr wie ihr, mit dem Schmerz und dem Lachen und dem Leben, das darin lag. Ich wollte bei ihr sein, um zu sehen, wie sie tiefer wurden, aber auf einmal war gar nicht mehr sicher, ob ich das durfte. Sie blinzelte ein paar Mal und ließ die Augen dann zu.
Ich räusperte mich. »In guten wie in schlechten Zeiten.«
Sie legte ihre Hand auf meine und murmelte: »In guten wie in schlechten Zeiten.«
Und ich dachte:
Bis dass der Tod euch scheidet.
Irgendwann gegen Tagesanbruch verschwanden die Helikopter.
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38
N ach ein paar Stunden bleischweren Schlafs fuhr ich mit verquollenem Gesicht hoch. Die Erinnerung an den vergangenen Tag wütete in meinem Schädel, zusammen mit einem Kopfschmerz, den ich geradezu hören konnte. Transmitter und versteckte Kameras hatten mich bis in den Schlaf verfolgt, und der erste Gedanke, der sich in meine erwachende Panik meißelte, war der an Arianas Regenmantel.
Ich kroch ins Erdgeschoss. Es war sieben Uhr, und goldenes Morgenlicht fiel durch den Spalt zwischen den Wohnzimmervorhängen. Obwohl es schwach war, musste ich blinzeln. Da draußen wartete eine brutale Welt.
Der Mantel hing im Kleiderschrank. Ich setzte mich auf den Boden und legte ihn auf meinen Schoß. Tief durchatmen. Meine Finger bohrten sich in den Saum und stießen auf Metall. Der Transmitter war also immer noch drin. Ich weiß nicht, wie lange ich so dort saß und den kleinen Sender zwischen Daumen und Zeigefinger rollte. Ich war so dankbar für seine
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