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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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ganz abgerutscht und hätte mein Versteck verraten, doch meine Hand schoss nach oben, griff nach einer senkrechten Stahlstrebe und verhinderte einen Sturz.
    Valentines Schritte wurden schneller, dann wieder langsamer, während seine Schuhe auf dem letzten Treppenabsatz über mir in Sicht kamen. Er war sichtlich auf einen Hinterhalt gefasst. Die Spitze seines Loafers glänzte. Das Blut darauf war so dunkel, dass es schwarz aussah, und auch der Aufschlag seiner Hose war blutbeschmiert. Während er herunterkam, ließ ich die Strebe wieder los und zog die Hand vorsichtig zurück. Aus meinem Blickwinkel wurde er jetzt durch die Stufen in horizontale Streifen geschnitten – Schuh und Knöchel, Oberschenkel und Taille, Brustkorb und Hals –, doch als er auf den Treppenabsatz direkt über mir trat, konnte ich ganz deutlich die Glock erkennen, die er mit beiden Händen direkt vor sich hielt.
    Er verlangsamte weiter seinen Schritt. Da der Wind unverändert stark wehte, war mein Ausrutscher übertönt worden. Doch hatte Valentine mich vielleicht trotzdem entdeckt? Oder konnte er meine Position erraten?
    Mit dem nächsten Schritt verschwand er aus meinem Blickfeld. Er war jetzt direkt über mir. Ich merkte, dass ich die Luft anhielt, aber ich konnte jetzt unmöglich ausatmen. Meine Lungen brannten. Dann tappte sein Schuh aufs Metall. Noch einmal.
    Durch die Lücke sah ich zuerst seine Waffe, und um ein Haar hätte ich mich von meiner Panik hinreißen lassen und wäre aus meinem Versteck hervorgesprungen. Aber die Waffe war gar nicht auf mich gerichtet, sondern schwebte anderthalb Meter über den Stufen. Dann glitten seine Hände in mein Blickfeld, seine Handgelenke, seine Unterarme. Er zielte auf den Pfad und atmete dabei vernehmlich. Sein Loafer trat auf die nächste Stufe, keine fünfzehn Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Ich konnte den bitteren Blutgeruch an seinen Sohlen riechen. Dann berührte sein anderer Fuß die zweite Stufe, wie in Zeitlupe.
    Ich hatte unbewusst die Hände vors Gesicht gehoben und bebte. Dann beobachtete ich, wie er den Fuß ganz aufsetzte, Millimeter für Millimeter. Einen entsetzlichen Moment lang war ich wie gelähmt. Doch dann brach die ganze verstörte Wut aus mir heraus. Ich schob die Hand zwischen den zwei Stufen hindurch, packte Valentines Knöchel und riss sie so fest wie möglich in meine Richtung.
    Er heulte auf und stürzte kopfüber zu Boden. Sein Brustkorb traf mit einem ungeheuren Lärm auf den Stahlrost, und aus seiner Waffe löste sich ein dröhnender Schuss, der durch das Metall rundherum noch verstärkt wurde. Er rutschte mit dem Kopf voran noch ein paar Stufen weiter, bevor er sich überschlug und liegen blieb. Seitlich an der Treppe hing seine schlaffe Hand herab. Er murmelte irgendetwas Unverständliches, und dann gehörte die Nacht einem seltsam schmatzenden Geräusch, das in unregelmäßigen Abständen ertönte.
    Ich blieb noch einen Moment in meiner Kauerstellung unter der Treppe und wartete auf ich weiß nicht was, bis ich die dunklen Tropfen bemerkte, die durch das Stahlgitter der untersten Stufe drangen und auf den Boden darunter tropften. Ich kroch aus meinem Versteck.
    Er saß leicht zurückgelehnt am Fuß der Treppe. Im Mondlicht sah ich das Weiß seiner Augen ganz deutlich. Sie rollten angestrengt hin und her, doch als ich mich vorsichtig näher an ihn heranschob, entdeckten und fixierten sie mich. Er hatte ein winziges Loch seitlich am unteren Rand der Rippen, nicht größer als ein Penny. Rund um das Loch war der weiße Stoff seines Hemds ganz dunkel und bildete einen Fleck von der Größe einer Frisbee-Scheibe. In seiner unnatürlich verdrehten Rechten hielt er immer noch die Glock. Sein Finger lag direkt auf dem Abzug. Als sich sein Brustkorb bewegte, kam das seltsame Schmatzgeräusch aus seiner Lunge, und am Rand der Einschusswunde flatterte der zerrissene Stoff ganz leicht im Luftzug.
    Die rechte Kragenseite seiner Sportjacke war zurückgeschlagen. Ein Strahl fahles Mondlicht fiel durch die Stufen auf die Dienstmarke, die darunter zum Vorschein kam. Die Nummer, die darauf stand, war mir nur zu vertraut.
    LAPD

1117
.
    Seine Hand schloss sich fester um die Glock, und ich spannte alle Muskeln an. Doch offensichtlich fehlte ihm die Kraft, den Arm noch einmal zu heben, um auf mich zu zielen. Seine Brauen senkten sich, während er sich abmühte.
    Dann zuckte sein Kopf plötzlich zurück, eines seiner Beine versteifte sich, und der Schuss ging direkt in den

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