Oder sie stirbt
die ich vom Sehen kannte, streckte den Kopf aus der Tür des nächstgelegenen Unterrichtsraums. Zwischen ihren Augenbrauen zeichneten sich missbilligende Fältchen ab. Ich starrte sie so giftig an, dass sie sich wortlos zurückzog, und als ich mich wieder an den Studenten wenden wollte, war er schon über die Treppe verschwunden. Die anderen redeten und gestikulierten.
Bis auf die Knochen blamiert, raffte ich meine Blätter zusammen und verließ das Gebäude.
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16
E in riesiges schmiedeeisernes Tor begrüßte mich. Das Grundstück war von einer drei Meter hohen Steinmauer eingefasst, und wer hineinwollte, musste sich der Sprechanlage bedienen, die sich an einer Säule neben dem Tor befand.
Obwohl es erst drei Uhr war – und Februar –, war das kalte Wetter plötzlich umgeschlagen, und die Sonne wurde vom Beton reflektiert. Eigentlich sollte ich gerade vor meinem Kurs stehen und etwas über Dialoge erzählen, statt prozessierende Kinostars zu jagen.
Bevor ich die Klingel drücken konnte, ließ mich ein Quietschen herumfahren – auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde gerade die Tür eines heruntergekommenen weißen Lieferwagens aufgeschoben. Aus dem dunklen Inneren ertönte das Klicken eines professionellen Fotoapparats. Ich erstarrte auf dem Gehweg. Ein Mann mit einer riesigen Kamera kam heraus und marschierte direkt auf mich zu, wobei er unablässig weiter Bilder schoss. Er trug einen schwarzen Kapuzenpulli, und die Kamera verdeckte sein Gesicht, so dass ich nur das Objektiv sah, das aus der Kapuze ragte wie eine Wolfsschnauze. In der gebogenen Linse sah ich mein Spiegelbild wie eine dunkle Amöbe.
Meine Gedanken überschlugen sich, als er näher kam, aber ich war total überrumpelt, und meine Reaktionen ließen mich in diesem Moment einfach im Stich.
Als ich gerade die Hand zur Faust ballte, sank die riesige Linse herab und gab den Blick auf ein blasses Gesicht frei. »Oh«, sagte der Mann enttäuscht. »Du bist ja gar niemand.« Er hatte meine Starre mit Gleichgültigkeit verwechselt.
»Woher weißt du das?«
»Weil es dir scheißegal ist, ob ich dich fotografiere.«
Ich musterte die zottelige Gestalt, die sichtlich schwere Ausrüstung in den Taschen ihrer Khakishorts trug, und endlich fiel der Groschen. »Bist du vom
National Enquirer?
«, fragte ich.
»Ich arbeite freiberuflich. Der Markt ist ziemlich eng geworden für uns Paparazzi. Wir müssen verkaufen, an wen wir können.«
»Conner ist momentan ziemlich lukrativ, oder?«
»Sein Preis ist gestiegen. Wegen dem Hype um seinen neuen Film, wissen Sie, und dann noch diese Vaterschaftsklage …«
»Davon hab ich noch gar nichts gehört.«
»Irgend so eine Clubschlampe. Sie hat sich einmal auf Nicky Hilton übergeben, da sind ihre Aktien prompt gestiegen.«
»Aha. So profiliert man sich also in den Medien.«
»Wenn ich ein scharfes Foto von Conner bringe, auf dem er gerade irgendwas Peinliches macht, zahlt man mir 20000 . Nichts heizt den Bieterstreit so an wie ein Cocktail aus Erfolg und Sumpf.«
»Ein anheizender Cocktail. Davon könnte ich grade auch einen gebrauchen.«
Er musterte mich mit Verschwörermiene. »Bist du ein Freund von ihm?«
»Ehrlich gesagt, ich kann den Kerl nicht ausstehen.«
»Ja, ziemlicher Arsch. Der hat mir vor Dan Tana’s Hollywood Restaurant das Knie in die Eier gerammt. Der Prozess steht noch aus.«
»Viel Glück.«
»Du musst sie so weit kriegen, dass sie dich schlagen, nicht umgekehrt.« Er sah mich mit wissender Miene an. »Der wird schon einlenken.«
Ich drückte auf die Klingel, und ein fernöstliches Glockenspiel ertönte. Das Knattern in der Sprechanlage verriet, dass jemand den Hörer abgenommen hatte, auch wenn er nichts sagte. Ich beugte mich vor und sagte: »Hier ist Patrick Davis. Bitte sagen Sie Keith, dass ich ihn sprechen muss.«
»Und das ist das Schlaueste, was dir einfällt, um da reinzukommen?«, wunderte sich der Fotograf.
Es summte im Torschloss, und ich schlüpfte hinein. Er versuchte, mir zu folgen, aber ich vertrat ihm den Weg. »Tut mir leid. Du musst dir wohl selbst was Schlaues ausdenken.«
Er zuckte mit den Schultern. Dann zog er eine elfenbeinfarbene Visitenkarte aus der Brieftasche.
Joe Vente.
Darunter stand eine Telefonnummer. Sonst nichts.
Ich drehte ihm die beschriftete Seite zu und meinte: »Spartanisch.«
»Ruf mich an, wenn du mir mal eine deftige Geschichte über Conner erzählen willst.«
»Mach ich.« Ich zog das Tor zu und vergewisserte mich,
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