Oder sie stirbt
hatte. Punchs gerötetes Gesicht verfärbte sich purpurn, so dass die kaputten Kapillaren auf seiner fleischigen Nase und den Wangen noch deutlicher hervortraten. »Scheiße.« Er wischte sich die Hände an seinem Hemd ab. Ein Hemdenzipfel war ihm aus der Hose gerutscht. Ein Glück, dass Jerry und er nie gleichzeitig auftraten – er war der Walter Matthau neben Jerrys Jack Lemmon. »Und du bist voll zugange. Schnüffelst rum und stellst Nachforschungen an.«
»Ist wahrscheinlich so ein bisschen wie Schreiben.«
Die Fahrstuhltüren öffneten sich mit einem leisen »Pling«, und ich spürte eine unangenehme Vorahnung. Eine Mutter trat heraus und zog ihren plärrenden Sohn hinter sich her. »Hab ich dir nicht gesagt, du sollst das Ding im Auto lassen!«
Ich wartete, bis sie verschwunden waren, dann zog ich ein kleines Diktiergerät aus der Tasche und reichte es Punch. Er nahm es entgegen, steckte es in seine
Maxim
und drückte auf den Start-Knopf. Wieder ertönte die Stimme:
»Also … sind Sie bereit?«
»Elektronisch verzerrte Stimme«, stellte Punch fest. »Das machen diese Spinner immer.«
»Gibt es irgendeine Möglichkeit, das zu entzerren? So dass man die Stimme oder die Art des Telefons näher bestimmen könnte? Irgendwas?«
»Nein. Ich hab einen ziemlich guten Kriminalisten an der Hand, der will bei einer Serie mitmachen, bei der ich Berater bin. Ich hab ihm eine Aufnahme von so einer verzerrten Stimme gegeben, um ihn zu testen, so eine telefonische Drohung, die unser Produzent gekriegt hatte. Er hat ein bisschen damit rumgespielt, und die Ergebnisse waren keinen feuchten Dreck wert.« Er hielt die Zeitschrift schräg, so dass mir das Diktiergerät wieder in den Schoß fiel. »Die Sache ist zu groß für mich und meinen IQ . Nachdem dein Telefon ja jetzt abgehört wird, ruf mich bitte nicht mehr an.« Mahnend erhob er einen seiner Wurstfinger. »Und schick mir auch keine Mails mehr. Sobald man die mal geöffnet hat, hinterlassen sie Spuren auf der Festplatte, ganz egal, ob man sie hinterher wieder löscht. Das hätte mir grade noch gefehlt, dass deine Big Brothers dir bis in meinen Computer nachspionieren.«
»Wie soll ich denn dann Kontakt mit dir aufnehmen?«
»Gar nicht. Zu gefährlich.« Er zupfte an seinen Hängebacken und musterte mein verdattertes Gesicht. »Wenn dir das nicht passt, weiter zu Schritt vier: Ruf deinen Sponsor an.«
»Ich bin aber nicht bei den Anonymen Alkoholikern.«
»Ach ja, genau. Da sollte ich ja sein.« Er stand auf, drückte die Zeitung in seiner Riesenfaust zusammen und zuckte noch einmal mit den Schultern, bevor er davonstapfte. »Viel Glück.«
Das meinte er ehrlich. Genauso ehrlich wie sein abschließendes: »Mach’s gut.«
Die gähnende Leere des Vorlesungssaals wurde durch die aufsteigenden Sitzreihen noch verstärkt. Ich stand auf der Schwelle und spähte hoffnungslos in den Saal. Auf dem Belegungsplan stand: 15 UHR : PROFESSOR DAVIS , GRUNDLAGEN DES DREHBUCHSCHREIBENS . Superpünktlich: 15.47 Uhr. Mein Hemd und meine Hose klebten mir schweißnass am Körper, nachdem ich vom Parkplatz bis zum Unterrichtsraum gesprintet war. Ich ließ die Aktentasche auf den Boden sinken und stützte mich keuchend an den Türrahmen, um wieder zu Atem zu kommen.
Auf dem Weg durch den Flur hätte ich schwören können, dass ich von ein paar Studenten schräg angesehen wurde. Als ich am Sekretariat vorbeikam, rief mir die Sekretärin hinterher: »Professor Davis? Ich hab die Studentenakte hier, nach der Sie gefragt hatten.«
Das hatte ich ja schon ganz vergessen – meine inoffizielle Anfrage nach Bugayongs Akte. Als ich eintrat, bemerkte ich, dass Dr. Peterson, die Leiterin der Fakultät, mit ein paar anderen Dozenten bei den Postfächern stand und plauderte. Die Sekretärin hielt mir die Akte hin und grinste keck. Dr. Peterson unterbrach ihre Unterhaltung und sah zu uns herüber. Die Akte in der ausgestreckten Hand der Sekretärin hing zwischen uns in der Luft.
Erst als ich schon redete, merkte ich, dass ich die Stimme gesenkt hatte: »Danke. Aber die Sache hat sich von selbst erledigt.« Ich nickte Dr. Peterson ein bisschen zu beflissen zu und zog mich ohne die Akte zurück. Als ich über den Korridor ging, konnte ich mir ein paar nervöse Blicke nicht verkneifen. Ein paar Studenten kicherten über irgendetwas, als ich vorüberging.
Ich klopfte an die Tür des winzigen Zimmers, das ich mir turnusmäßig mit drei anderen Dozenten teilte, um darin unsere
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