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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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Kessel des Valley schien die dunkle Dämmerung viel kompakter zu sein, als hätte der Smog sie verdichtet. Autoabgase und eklig süße Grilldünste durchdrangen die Luft. Im Rinnstein lagen zerdrückte Bierdosen und Fast-Food-Verpackungen. Der Wohnblock war das typische Van-Nuys-Desaster – bröckelnder Putz, aufgesprungene Gehwege, ein verbogenes Sicherheitstor. Klimaanlagen hingen vor den Fenstern und gaben tröpfchenweise ihr Kondenswasser ab. Das » WOHNUNG ZU VERMIETEN «-Schild, das von der Regenrinne baumelte, wirkte nicht gerade einladend.
    Ich stand seit einigen Minuten auf der anderen Straßenseite und versuchte, mich innerlich auf das vorzubereiten, was mich hinter der Tür zu Wohnung Nr.  11 erwarten mochte. Und ich hoffte, dass sich die Säure wieder verflüchtigte, die mir immer wieder hartnäckig in der Kehle hochstieg. Was für einen Sinn hatte es, noch Zeit zu schinden? Wenn sie den Sender in meinen Nikes wirklich verfolgten, wussten sie sowieso schon, dass ich mich zu unserem Stelldichein eingefunden hatte.
    Das Summen eines Motors machte mir schließlich Beine. Ein Streifenwagen fuhr die Straße entlang, die beiden Polizisten sahen jeweils aus ihrem Seitenfenster und musterten die Gehwege und Gebäude. Ich wandte mich ab, lehnte mich gegen einen geparkten Van und versteckte mein Gesicht, indem ich so tat, als würde ich in mein Handy sprechen. Die Limousine näherte sich. Ich hörte die Reifen auf dem Asphalt und das Knattern des Funkgeräts. Ich erhaschte einen Blick auf eine verspiegelte Sonnenbrille, einen muskulösen Unterarm auf dem heruntergelassenen Fenster, dann rollte das Auto vorbei. Endlich konnte ich ausatmen, ich hatte die Luft schon so lange angehalten, dass sie mir in den Lungen brannte. Warum hatte ich eigentlich das dumme Gefühl, ich würde etwas Illegales tun?
    Ich lief über die Straße bis vor das Sicherheitstor. Eine gusseiserne Tür mit Waffelmuster saß in einem soliden Rahmen und versperrte den Zugang zum Hof. Die Anweisungen, wie man die einzelnen Wohnungen anwählen konnte, waren unter der gesprungenen Plastikabdeckung, unter der sich jetzt auch noch das Regenwasser gesammelt hatte, kaum mehr zu erkennen. Immerhin war die Abdeckung einer zweiten Tafel heil geblieben, so dass man ablesen konnte, wer in welchem Apartment wohnte. Allerdings war der Zettel schon so vergilbt, als hätte man ihn seit Jahren nicht mehr auf den neuesten Stand gebracht. Achselzuckend versuchte ich, Nummer  11 anzuwählen, aber aus dem Lautsprecher kam nur ein ernüchterndes Freizeichen.
    Dann fiel der Groschen.
    Ich fischte den Post-it-Zettel aus der Tasche, strich ihn neben den Klingelschildern glatt, tippte die vier Ziffern ein, die ich unter der Adresse notiert hatte – 4783  –, und drückte auf die Raute. Ein knirschender Summton ertönte, ich drückte gegen das Tor und trat mit einem Anflug von Hochgefühl ein.
    Vielleicht war das hier doch nicht
Staatsfeind Nr. 
1
.
Vielleicht eher
The Game – Das Geschenk seines Lebens.
    Apartment 11 lag im zweiten Stock des Rückgebäudes. Mein ungutes Gefühl wurde stärker, während ich die Treppen hochging. Ariana hatte recht – was ich hier tat, war tollkühn. Es konnte gut sein, dass ich gleich meinem Mörder in die Arme lief.
    Der Gang, der an der Hofseite des Gebäudes entlanglief, führte zu vier Wohnungstüren, eine hässlicher als die andere. Schließlich stand ich vor Nummer  11 . Die rostigen, lose an die Tür genagelten Ziffern. Kein Spion. Die uralte Tür mit ihren Rissen und dem abblätternden Lack sah in Wirklichkeit noch schlimmer aus als auf der Aufnahme. Der Türknauf saß locker. Die einzige Verbesserung, die hier jemals vorgenommen worden war, war das neue Sicherheitsschloss, das man ziemlich weit oben angebracht hatte.
    Ich nahm die DVD aus der violetten Hülle, betrachtete sie und klopfte schließlich ratlos damit gegen meinen Oberschenkel. Ich atmete einmal kurz ein, kräftig wieder aus. Dann drückte ich die Klingel. Kaputt. Beim allgemeinen Zustand dieses Wohnblocks eigentlich nicht überraschend. Ich legte das Ohr gegen das Holz. Wieder nichts.
    Ich hob die Hand, brachte es dann aber doch nicht fertig zu klopfen. Keine Ahnung, was mich abhielt. Die Angst vielleicht. Oder ein Frühwarnsystem, irgendetwas, was meine Zellen schon wahrnahmen, bevor es mein Gehirn erreichte. Ich überlegte, ob es klug gewesen war, meine GPS -Nikes anzuziehen. Hatte ich mir damit den Rückzug verbaut? Ich ließ die Faust sinken und

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