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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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QuickTime-Video mitgefilmt hatte.
    Blick durch eine Windschutzscheibe. Fahrendes Auto. Die Aufnahme endete ein gutes Stück vor der Sackgasse und dem Honda.
    Ich lud den Clip auf meine Festplatte und vergrößerte ihn, so dass er den ganzen Bildschirm füllte. Ein Sattelzug mit Abblendlicht fuhr vorbei, und die Lichter reflektierten auf der Windschutzscheibe. Da zog ein kleiner silberner Fleck am unteren Rand der Scheibe meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich hielt den Film an. Nur ein kleines Fleckchen unten an der Windschutzscheibe. Ich beugte mich vor und starrte blinzelnd auf den fingerlangen Lichtreflex auf dem Armaturenbrett.
    Das kleine Metallplättchen mit der eingestanzten Fahrgestellnummer.
    Das Bild war verwischt und schwach, aber vielleicht konnte man es mit der richtigen Ausrüstung ja schärfer stellen. Meine erste konkrete Spur. Ich fuhr mit dem Daumen über das winzige Bild und genoss den Anblick.
    Da gab mein Handy eine kurze, asiatisch anmutende Tonfolge von sich. Langsam wanderte mein Blick zum Telefon, das direkt neben der Tastatur lag. Ich nahm es in die Hand. Eine SMS von einem unbekannten Absender.
    Kalter Schweiß brach mir aus. Bevor ich mich bremsen konnte, bewegte sich mein Daumen auf die Taste.
    E-MAIL MORGEN 19  UHR.
    ES GEHT UM LEBEN UND TOD.
    DIESMAL IST ES JEMAND, DEN SIE KENNEN.

[home]
    31
    I ch saß in meinem Auto auf dem Parkplatz und beobachtete die Studenten, die zum Unterricht schlenderten. Das Telefon klingelte und klingelte, und irgendwann nahm er ab. »Hallo.«
    »Dad?«
    »Hör auf zu hupen!« Dann rief er über den Hörer hinweg meiner Mutter zu: »Es ist Patrick.
Pat
rick!« Er war wieder zurück. »Deine Mutter sitzt im Auto.« Mein Vater aus Lynn, Massachusetts, hatte den harten Bostoner Akzent, den ich mir nie angewöhnt hatte, während ich im verwässerten Newton aufwuchs. »Na? Immer noch Probleme mit Ari?«
    »Ja, aber wir kriegen das schon geregelt.« Jetzt, da ich seine Stimme hörte, wurde mir erst klar, wie sehr ich sie vermisste, und wie traurig es doch war, dass ich erst so einen Anlass brauchte, um zum Hörer zu greifen. »Tut mir leid, dass ich mich in den letzten Monaten so selten gemeldet habe.«
    »Schon okay, Paddy. Du hattest ja auch eine schwere Zeit. Hast du schon einen richtigen Job gefunden?«
    »Ja. Ich unterrichte jetzt wieder. Mit dem Schreiben ist es aus.«
    »Hör mal, deine Mutter und ich wollten gerade in die Stadt fahren. Ist bei dir alles klar?«
    »Ich wollte nur wissen, wie es euch beiden geht. Gesundheitlich und überhaupt. Wenn ihr irgendwas braucht, also … ich kann mich jederzeit in den Flieger setzen, egal, was ich sonst grade so laufen hab.«
    »Wovon redest du eigentlich? Bist du in irgendeine Sekte geraten da unten?«
    »Ich mein bloß. Ich wollte, dass ihr das wisst.«
    »Hier ist alles bestens. Wir haben noch jede Menge Zeit.«
    »Ich weiß, Pa.«
    »Noch sind wir nicht im Grab.«
    »Ich meinte doch auch gar nicht …«
    Ungeduldiges Hupen im Hintergrund.
    »Hör mal, deine Mutter hat grade die Hupe entdeckt. Tu mir einen Gefallen, Patrick, ruf sie diese Woche mal an. Und übrigens – du kannst auch anrufen, wenn es dir grade nicht gutgeht. Wir sind schließlich deine Eltern.«
    Er legte auf, und ich blieb noch einen Moment sitzen. In der vergangenen Nacht, als die drohende SMS mein Handy loszirpen ließ, war mir eiskalt geworden vor Angst. Es überraschte mich wenig, dass die Nachricht wenige Sekunden, nachdem ich sie gelesen hatte, verschwunden war. All diese Daten, die sich immer von selbst löschten, warfen die Frage in mir auf, ob ich die ganze Geschichte nicht vielleicht doch selbst erfand. Aber der Kloß in meinem Hals versicherte mir überdeutlich, dass das alles realer war, als mir lieb sein konnte.
    Ein vorübergehender Student winkte mir zu, und es kostete mich einige Kraft, meine Hand zu heben und zurückzuwinken. Mein Auto hätte genauso gut ein U-Boot sein können, so abgeschnitten fühlte ich mich von der Welt außerhalb der Scheiben.
    DIESMAL IST ES JEMAND , DEN SIE KENNEN .
    Ich klickte sämtliche gespeicherten Nummern meines Handys durch. So viele Namen. Ganz zu schweigen von den Namen, die ich nicht in diesem Adressbuch gespeichert hatte. Es konnte jeder sein – von Julianne über Punch bis zu Bill vom Bel-Air-Foods-Supermarkt. Jemand, der mit mir den Schulabschluss gemacht hatte, jemand, mit dem ich mir am College das Zimmer geteilt hatte, jemand, der mir eine Tasse Zucker geborgt hatte. Jemand, den ich

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