Odessa Star: Roman (German Edition)
Parterre jaulen und schaut nach, ob alles in Ordnung ist. Mit dem Reserveschlüssel verschafft er sich Zugang zu ihrer Wohnung … Verdammt! Nach dem natürlichen Verlauf der Dinge hätte ich erst klingeln müssen! Ich handelte übereilt, ich durfte mich jetzt, so kurz vor dem Ziel, nicht von Emotionen mitreißen lassen. Ich drückte einmal auf den Klingelknopf.
Das Jaulen wurde von einem schwachen Bellen abgelöst. Ich zählte bis vier und schloss die Tür auf.
In der dunklen Diele schlug mir der Kamelgestank in solcher Konzentration entgegen, dass mir die Luft wegblieb; meine Augen begannen zu tränen; ich drückte die Zwischentür auf. In der Wohnung war es jetzt mucksmäuschenstill.
»Frau de Bilde?«, sagte ich leise.
Ich tastete nach dem Lichtschalter und fand ihn so schnell, dass ich erschrak, als die Diele plötzlich in sepiafarbenes Licht getaucht war. »Frau de Bilde?«, rief ich nochmals, obwohl ich sicher war, dass mich außer dem Hund und den anderen Haustieren niemand hören konnte. Ich machte einen Schritt nach vorn und wäre beinahe in einen Hundehaufen getreten, der halb auf der Türmatte, halb auf dem dunkelroten Teppichboden im Gang lag. Etwas weiter, auf der Schwelle der Küchentür, lag noch einer.
Rechts von der Küche stand die Tür zum Schlafzimmer halb offen; meine Nackenhaare sträubten sich buchstäblich. Es stank nicht mehr nur nach Kamel; wieder schnappte ich nach Luft und hielt mir die Nase zu. »Hallo?«, rief ich noch einmal ohne Überzeugung.
Auf einmal kam der gefleckte Hund aus dem Schlafzimmer; er schwankte unsicher auf mich zu. Ich ließ ihn an meiner Hand schnuppern. »Nur ruhig, mein Junge«, sagte ich, »brauchst keine Angst zu haben.«
Muff oder Buff drückte seine trockene Schnauze an meine Finger und leckte mir mit seiner trockenen, rauen Zunge den Handrücken.
»Was ist denn passiert, mein Junge?« Ich hockte mich hin und nahm seinen Kopf zwischen die Hände, was er sich ohne Protest gefallen ließ. »Wo ist denn das Frauchen?«
Als ich aufstand und ein paar Schritte auf das Schlafzimmer zumachte, begann er allerdings zu knurren, schnitt mir den Weg ab und steckte seine Schnauze zwischen meine Beine.
»Was ist denn, mein Junge?« In dem Moment ertönte aus dem Wohnzimmer der Schrei eines Vogels und das Trippeln von Vogelfüßen auf Metall. »Du bist wohl schon lange nicht mehr draußen gewesen, was? Und bestimmt hast du einen Riesendurst.«
Der Hund knurrte nur noch kurz, als ich zur Küche ging; den Blick ins dunkle Schlafzimmer vermied ich. Ich rechnete aber so halb mit der einen oder anderen Schmeißfliege.
Am Spülbecken füllte ich den Wassernapf, den ich neben einem zweiten Schüsselchen mit vertrockneten Fleischresten neben der Tür zum Garten vorfand. Innerhalb weniger Sekunden hatte der Hund ihn leer geschlabbert. »So, das ging aber schnell, was!« Ich füllte den Napf nochmals.
Während der Hund sich gütlich tat, schlüpfte ich aus der Küche; wieder schlug mir das Herz bis in den Hals, aber ansonsten war ich die Ruhe selber, als ich ins Schlafzimmer ging.
Das Bett war leer. Es war sogar ordentlich gemacht. Auf dem Nachttisch stand neben der Lampe ein Glas Wasser, am Fußende karierte Pantoffeln, nicht die blauen, die Frau de Bilde normalerweise trug, wenn sie das Haus verließ.
Die Gehhilfe, durchfuhr es mich; ich hatte sie weder im Gang gesehen, noch sah ich sie jetzt im Schlafzimmer. Ich ging ins Wohnzimmer und machte Licht. Mit schwarzen Knopfaugen starrte mich ein Wellensittich oder Kanarienvogel aus seinem über dem Tisch hängenden Käfig an; in einer Zimmerecke bewegte sich etwas hinter Gitterstäben, wahrscheinlich ein Meerschweinchen. Aber auch hier keine Spur von Frau de Bilde und auch nicht von ihrer Gehhilfe.
»Wo ist das Frauchen nur hingegangen?«, fragte ich den Hund, der sich mir inzwischen wieder angeschlossen hatte. »Ist sie etwa weggegangen und nicht mehr zurückgekommen?« Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hoch, er war nicht einmal unangenehm, eher ernüchternd. »Wenn du doch reden könntest«, sagte ich und streichelte dem Hund den Kopf. »Du hast bestimmt gesehen, was passiert ist.«
Nachdem ich noch eine kurze Runde durch den Garten gemacht hatte, ging ich wieder nach oben. In der Küche traf ich David und Nathalie an; David in Unterhose, Nathalie nur mit einem T-Shirt bekleidet. David setzte gerade eine Milchpackung an den Mund, beide erschraken, als ich plötzlich zur Tür hereinkam.
»Wo kommst du denn
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