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Odessa Star: Roman (German Edition)

Odessa Star: Roman (German Edition)

Titel: Odessa Star: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch
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wie die eines Menschen eben, der nach einem zweiwöchigen Aufenthalt auf einer spanischen Urlaubsinsel in seine Stadt, in sein Viertel zurückkehrt – die Fälschung ist vom Original nicht zu unterscheiden. Ich hatte Mühe, ein nervöses Kichern zu unterdrücken.
    Während Christine, David und Nathalie das Gepäck zur Haustür trugen, bezahlte ich den Fahrer. Ich gab ihm ein lächerlich hohes Trinkgeld, zusätzlich zu dem schon lächerlich hohen Betrag, den er für die nicht besonders komplizierte Fahrt von Schiphol nach Watergraafsmeer verlangte.
    Während ich dem Taxi nachschaute, stellte ich fest, dass die Vorhänge im Parterre geschlossen waren, aber die Vorhänge vor Frau de Bildes Fenster waren, soweit ich mich erinnern konnte, sehr oft, um nicht zu sagen immer geschlossen. Das verblichene Gelb musste einmal braun gewesen sein, die runden Motive erinnerten an Kirchenfenster. Dahinter war keine Bewegung auszumachen, aber auch das war nichts Besonderes.
    Die anderen waren schon hineingegangen und hatten nur einen blauen Koffer und eine Strandtasche für mich stehen lassen. Ich nahm das Gepäck, stellte es auf die Türschwelle und bückte mich, als müsste ich mir die Schnürsenkel zubinden. Rasch schaute ich mich ein paarmal um. Die Straße lag verlassen da. Nur wenige Autos standen am Straßenrand, die meisten Leute waren noch nicht aus dem Urlaub zurück. Ich drückte in der Nachbartür die Klappe des Briefkastens nach innen.
     
    Auf der Türmatte lagen ein paar Werbeprospekte und ein grüner Klarsichtumschlag, dessen Absender ich nicht lesen konnte. Was erwartete ich eigentlich? Post auf der Türmatte konnte natürlich ein Indiz dafür sein, dass der Bewohner nicht zu Hause war. Aber möglicherweise bekam Frau de Bilde nur selten Post, eine Zeitung hatte sie bestimmt nicht abonniert, sie war meines Erachtens niemand, der seine Finger am Puls der Zeit hatte, sie interessierte sich höchstens dafür, wo es das billigste Tierfutter gab.
    Als die Klappe mit einem hellen, metallischen Ton zuschlug, roch ich den vertrauten Kamelgeruch, der mir mehr als alles andere deutlich machte, dass ich wieder zu Hause war. Etwas anderes ließ sich daraus nicht ableiten.
    »Herr Moorman …?«
    Vor lauter Schreck verlor ich das Gleichgewicht und kippte rückwärts, ich konnte gerade noch verhindern, dass ich mit dem Kopf auf den Bürgersteig schlug, schürfte mir aber die Hände unangenehm auf.
    »Oh Verzeihung!«, rief Nathalie. »Ich wollte Sie nicht erschrecken …« Sie stand schon wieder mit einem Fuß in der Tür, in der Hand die Strandtasche. »Ich dachte nur, vielleicht kann ich noch etwas tragen helfen.« Lächelnd strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
    Ich rappelte mich auf und rieb mir die schmerzenden Hände an der Hose. »Ich hatte den Eindruck, da guckt unsere Zeitung aus dem Briefkasten«, sagte ich, weil ich nicht wusste, was genau sie gesehen hatte.
    Sie lächelte wieder, drehte sich um und ging mit der Strandtasche in der Hand die Treppe hinauf; ich folgte ihr mit dem Koffer.
    Erst als wir uns alle wieder einigermaßen eingerichtet hatten, trat ich auf den Balkon hinaus. Wie es sich gehört, schaute ich erst in den blauen Himmel, an dem weiße Wolken dahinsegelten, dann tat ich einen tiefen Atemzug: Kamelgeruch vermischte sich mit dem verblühter Blumen und anderer Pflanzen.
    Der Garten sah aus wie immer. Das Vogelhäuschen stand noch an derselben Stelle, wenn sich auch die Vögel im Moment gerade nicht darin drängelten; das Gras stand etwas höher als gewöhnlich, aber auch das war nicht aufsehenerregend.
    Ich schwenkte den Blick wie eine Kamera von links nach rechts: über die Blumenbeete vor der Hecke, die Platten zur hinteren Terrasse, den immergrünen Nadelbaum zwischen Terrasse und Schuppen, den Schuppen mit seinem von Kletterpflanzen überwucherten Asbestdach und von dort wieder zurück über den zweiten Gartenweg, der vom Schuppen zur Küchentür von Frau de Bilde führte. Ich wusste nicht genau, was ich suchte; eine kleine, kaum wahrnehmbare Veränderung, die erst später, im Nachhinein, Bedeutung erlangen würde. Es war ein bisschen wie bei dem Spiel Finde die Unterschiede … Auf den ersten Blick sind die zwei Bilder nicht voneinander zu unterscheiden, nur dass der Angler auf dem Steg das eine Mal zwei Manschettenknöpfe trägt und das andere Mal nur einen.
    Aber auch der zweite Kameraschwenk, diesmal von rechts nach links, förderte nichts Besonderes zutage. Der Garten sah genauso aus

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