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Odice

Odice

Titel: Odice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anais Goutier
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Gesicht mit Dutzenden federleichten Küssen.
    Er verhielt sich noch immer ganz still in ihr und ließ ihr Zeit, sich mit diesem ungewohnten Gefühl vertraut zu machen. Sie liebkoste seinen Nacken und die Muskeln seiner athletischen Brust. Dann begann er sich zu bewegen, erst langsam und behutsam, dann immer schneller und härter. Er drückte ihre Arme aufs Bett.
    »Ich will deinen Körper und deine Seele zeichnen. Ich will, dass du mir ganz und gar gehörst!«
    Seine schöne Stimme klang jetzt schroff und die tiefen Stöße setzten Odice zu und ließen ihren ganzen Körper erbeben.
    »Wenn mein Bruder dich nimmt, sollst du von mir wund sein. Mein Samen soll noch an deinen Schenkeln kleben und du sollst dich an mich erinnern. Daran, wie ich in dir gewesen bin und dich besessen habe wie zum allerersten Mal. Gib dich mir ganz, Odice!«
    Er trieb sie bis an ihre Grenzen und noch ein Stück darüber hinaus. Wie im Delirium rief er: »Komm mit mir!« und wie auf sein Kommando kam sie mit ihm zusammen.
    Julien brach über ihr zusammen. Erschöpft und schwer atmend hielten sie einander im Arm.
    Odice’ Beine flatterten. Sie fühlte sich schwerelos. Sie war matt und ausgelaugt und gleichzeitig so unvorstellbar glücklich. Er hatte ihr ein zweites Erstes Mal geschenkt und diesmal war es perfekt gewesen. Lichtjahre entfernt von dem verkrampften Irgendetwas damals mit Jean-Luc.
    Dann löste sich Julien von ihr und stützte den Kopf auf einen angewinkelten Arm. Er betrachtete sie aufmerksam mit seinen schillernden blauen Augen. Sein dichtes schwarzes Haar war verwuschelt, seine Züge vollkommen gelöst. Er sah unverschämt gut aus.
    »Was ist das für ein Lächeln? Ein Goldstück für deine Gedanken, ma chère «, sagte er mit einer Stimme, die noch rau war von der Liebe. Vom Sex , ermahnte sich Odice.
    Er strich ihr mit zärtlichen Fingern eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    Ihr versonnenes Lächeln verwandelte sich zu einem schelmischen Grinsen.
    »Die Gedanken sind frei, mon seigneur .«
    Wieso versetzte ihm diese Anrede aus ihrem Mund einen Stich in die Herzgegend? Warum ließ er ihr ihre Scharfzüngigkeit immer wieder durchgehen? Was hatte diese Frau nur an sich? Sicher, sie war wunderschön, klug und schlagfertig. Aber das allein konnte es nicht sein. Schön und gebildet waren die meisten seiner Gespielinnen gewesen, aber für keine hatte er so empfunden wie für sie.
    Er erhob sich eilig und schlüpfte in seine Jeans.
    »Ich schicke dir Sada, damit sie dich von dem Zapfen befreit«, verkündete er gestelzt und Odice konnte förmlich dabei zusehen, wie die Maske der zynischen Unnahbarkeit auf sein schönes Gesicht zurückkehrte.

    Bis zum Spätnachmittag blieb Odice allein in ihrem Zimmer. Sada kam und befreite sie von dem lästigen Zapfen und sie kam auch, um Odice ihr Mittagessen zu bringen; ein Stück unter einer silbernen Servierhaube zauberhaft angerichtete, hausgemachte Quiche Lorraine und dazu einen fruchtig-frischen Sauvignon Blanc.
    Doch die Japanerin wechselte kaum ein Wort mit Odice und dann war sie auch schon wieder allein. Obwohl Quiche und Wein vorzüglich schmeckten, konnte Odice ihr Mahl nicht genießen. Es war ein eigenartiges Gefühl, in einem Haus voller Menschen allein zu essen, ausgestoßen wie eine Gefangene in Festungshaft.
    Eine Weile brachte Odice damit zu, aus dem Fenster zu sehen. Es war ein trister Apriltag. Finstere Wolken zogen heran, durchbrochen von schrägen Sonnenstrahlen. Ein heftiger Sturm kam auf und ruckartige Windstöße beugten die alten Pappeln unten im Park. Der Wind pfiff und brauste bedrohlich um das Château. Dann rauschte der Regen heran und prasselte heftig gegen die Scheiben. Doch ebenso schnell, wie sie gekommen war, war die Schauer auch wieder vorbei und die Sonne brach sich Bahn und tauchte das durchnässte Laub in gleißendes Licht.
    Odice wandte sich dem Bücherstapel zu, den man für sie auf dem Nachttisch arrangiert hatte. Es handelte sich ausschließlich um Klassiker der erotischen Literatur – Henry Millers Wendekreis des Krebses , Sades 120 Tage von Sodom und Benôite Groults Salz auf unserer Haut . Odice stand der Sinn nicht wirklich nach diesem Genre, aber um der Langeweile und den quälenden Gedanken in ihrem Kopf zu entfliehen, entschied sie, es mit Groult und ihrer emanzipierten Protagonistin George zu versuchen.

    Gegen halb fünf hörte sie, wie der Schlüssel im Türschloss bewegt wurde und legte das Buch beiseite. Leider war es nicht Julien, sondern

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