Odice
zwischen meinen Beinen verantwortlich ist«, sagte sie kokett und er schenkte ihr sein überhebliches Grinsen, bei dem er seine perfekten weißen Zähne entblößte.
»Ingwer-Sud«, erklärte er knapp.
»Und die Ameisen?«
»Ameisen?« echote er lachend. »Ich nehme an, du meinst den Xensus.«
Er wies mit der Hand auf ein Objekt auf dem Nachttisch, das entfernt an einen kaputten Schneebesen erinnerte.
»Das ist ein chinesisches Massagegerät – eigentlich für die Kopfhaut gedacht«, ergänzte er noch immer grinsend.
Sie schliefen in dieser Nacht noch mehrmals miteinander. Auf dem Bett, vor dem Kamin, an dem Art-Déco-Sideboard. Julien liebte sie lange und ausdauernd, mal sanft und mal grob, aber immer hingebungsvoll. Es war eine dieser seltenen, kostbaren Nächte ohne Dauer, in der die Zeit ihre Bedeutung, ihre bloße Existenz zu leugnen schien. Julien erkundete ihren Körper auf eine ganz neue, umfassende Weise und machte Regionen zu seinem Terrain, die Odice niemals für erogen gehalten hatte. Er zeigte ihr düstere Orte und solche, die in göttlichem Licht erstrahlten. Er trieb sie an die fernen Gestade dunkler, gefährlicher Leidenschaft, an denen man sich selbst zu verlieren droht und an die süßesten Stätten ihrer Träume. Julien machte sie mit ihren dunkelsten Begierden vertraut und erfüllte ihre geheimsten Wünsche. Er blickte bis tief in ihre Seele und kehrte ihr Innerstes nach außen. Er war wie ein dämonischer Nachtmahr, ein betörend schöner Vampir, der sie bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit aussaugte, um sie mit seiner magischen Energie zu fluten. Dieser Mann verlangte alles von ihr und gab sich selbst dafür. Er führte sie an ihre Grenzen und darüber hinaus. Er schenkte ihr wundervolle Orgasmen und solche, die sie kaum ertragen konnte. La petite mort – in dieser Nacht erschloss sich Odice die Bedeutung dieser poetischen Wendung. Sie begehrten und genossen den Körper des anderen, beteten und bettelten einander an, verweigerten und gewährten sich Erlösung, schenkten einander Lust und bittersüße Qualen. Der Körper des anderen war ihr Tempel und er war der tiefe unergründliche Ozean, in dem man versinkt und stirbt.
In den frühen Morgenstunden lag Odice schläfrig und gänzlich erschöpft in Juliens Armen und sann den Spuren nach, die er auf und in ihrem Körper hinterlassen hatte. Es waren Spuren der Verwüstung und der köstlichsten Wonnen.
Ein süßer Schauer des Wohlbefindens erfasste sie, als sie ihre wundgescheuerten Handgelenke rieb, die Julien in dieser Nacht noch so oft mit dem bestimmten Griff seiner eleganten Finger festgehalten hatte. Sie empfand den sinnlichen Druck nach, mit dem er ihre Brüste geknetet hatte, fühlte das Prickeln in ihren purpurnen Knospen, die von seinen weichen Lippen, seiner sündigen Zunge und seinen herrlichen Zähnen liebkost und auf so vielfältige Weise gefoltert worden waren. Sie spürte noch das Brennen seiner Fingernägel auf Rücken und Schultern, die fordernden Griffe seiner Hände an Hüften, Schenkeln und Po sowie das heftige Wundsein zwischen ihren Beinen.
»Ich liebe dich«, murmelte sie schläfrig und kaum hörbar, an seine Brust geschmiegt.
Sie nahm wahr wie er neben ihr scharf Luft holte und sich plötzlich verspannte. Er befreite sich sanft aus der gegenseitigen Umarmung und fuhr sich mit der flachen Hand über das Gesicht, über dessen schöne Züge innerhalb von Sekundenbruchteilen ein Dutzend unterschiedliche Gefühle jagten. Zurück blieb – Bestürzung?
»Mademoiselle Aneau, ich –«
Er hielt inne und Odice’ Herzschlag setzte für einen Augenblick aus. Seine Stimme hatte so ungemein zärtlich geklungen und dabei so verunsichert. Und er hatte sie noch niemals bei ihrem vollen Namen genannt. Es war fast, als habe er für einen kostbaren Augenblick seine Maske fallen lassen.
Doch im nächsten Moment schon war die Unsicherheit zusammen mit aller Zärtlichkeit aus seiner Stimme gewichen und die alte Selbstgewissheit gepaart mit leisem und beißendem Spott legte sich über sein schönes Gesicht wie eine schlecht einstudierte Theaterrolle.
Es tat ungemein weh, diesen Wandel mit ansehen zu müssen.
»Bitte tu mir den Gefallen und fall nicht dem Stockholm-Syndrom anheim, süße Odice. Wenn du in mir deinen Geliebten siehst, wirst du bitter enttäuscht werden. Denn solange du in diesem Haus zu Gast bist, werde ich in dir nichts anderes sehen, als die Sklavin, die du bist. Ich werde dich benutzen und dir meinen Willen
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