Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
Vom Netzwerk:
hochheiligen Weihnachtstag zu tun vorgenommen haben kann.« Der Schmied ließ die Augen über sein Publikum wandern. »Wie ihr alle wisst, ist gestern ein Mann aus einem anderen Ort als Posthusby in Smedieby eingetroffen! «
    Die Dorfbewohner flüsterten miteinander und erzeugten ziemlich viel Lärm, indem sie stießen und schubsten, sich auf ihre und die Zehen der anderen stellten, nur um einen kurzen Blick auf den kleinen fremden Mann vom Kontinent zu erhaschen, der versteckt hinter dem Rücken des Schmieds stand.
    »Ich möchte nicht unliebenswürdig sein, aber dieser Mann, Herr Odin …« Hier drehte der Schmied sich um und hob Odin mit einer schwungvollen Bewegung hoch und stellte ihn auf den Arbeitstisch, sodass alle ihn sehen konnten.
    Sofort wurde es ruhig in der Versammlung.
    »Dieser Mann ist weit gereist, um einen sehr wichtigen Bescheid zu überbringen. Aber er ist in einem gewaltigen Schneesturm stecken geblieben, und eins seiner Pferde hat sich ein Bein gebrochen.« Um nichts zu vergessen, zog der Schmied ein Blatt Papier aus der Tasche, auf das er alles geschrieben hatte, was er gerne sagen wollte; er war jetzt bei dem komplizierteren Teil der Rede angekommen. »Im Namen aller Einwohner Smediebys sowie aller Einwohner Posthusbys, nicht zu vergessen, habe ich Herrn Odin eingeladen, so lange in Smedieby zu bleiben, wie er mag. Doch ist der Auftrag von Herrn Odin von solcher Beschaffenheit und Eile, dass er ihn umgehend und ohne weitere Verzögerung
ausführen muss. Deshalb, und ich bin sicher, dass ihr alle einig mit mir seid, ist es von allergrößter Wichtigkeit, dass das Bein von Herrn Odins Pferd so schnell wie möglich heilt.« Der Schmied musterte die Dorfbewohner mit scharfem Blick, als wollte er sie warnen, zu erwähnen, dass er bisher und bis gestern erklärt hatte, dass ein gebrochenes Bein nicht zu heilen war. »Gut, ich möchte nicht unliebenswürdig sein, aber da es eine unglückliche Tatsache ist, dass niemand von Smedieby bis Posthusby und wieder zurück das Bein von Herrn Odins Pferd heilen kann, besteht keine andere Möglichkeit als die, dass Herr Odin zum Kontinent reist, um den Veterinär zu holen, damit er diese Arbeit erledigen kann.« Der Schmied hob die Stimme und wiederholte das fremde Wort. »Den Veterinär!« Er wusste genau, dass keiner seiner Zuhörer dieses großartige Wort kannte. Er hatte es selbst erst spät in der Nacht entdeckt, als er in einem zerfledderten Wörterbuch geblättert hatte, das noch aus der Zeit der Urururgroßmutter der alten Rikke-Marie stammte und auf dem Speicher aufbewahrt wurde. Durch den Gebrauch dieses großartigen Wortes hoffte der Schmied seinen Ruf als gelehrtester Mann Smediebys trotz des kurzfristigen Missverständnisses bezüglich des gebrochenen Beins von Herrn Odins Pferd wiederzugewinnen.
    »Wie wir alle wissen, hat niemand diese Insel verlassen, seit Rikke-Maries Mutter jung war. Und bisher und bis gestern ist seit der Schlacht zwischen den Ausländern, die noch vor der Zeit, als die Urururgroßmutter der alten Rikke-Marie jung war, stattgefunden hat, niemand hierher gekommen. Und wie wir auch alle wissen, machen es die Klippen unmöglich, von unseren Küsten abzulegen oder an ihnen anzulegen, selbst wenn jemand das wollte, wozu jedoch niemand in Smedieby oder Posthusby und zurück seit unzählbaren Jahren Lust gehabt hat. Deshalb – und weil Herr Odin seine guten Pferde aus offensichtlichen Gründen nicht benutzen kann – müssen wir alle mit Herz und Hirn nachdenken, um einen Weg zu finden, auf dem Herr Odin zum Kontinent zurückreisen kann.«
    Langsam und sorgfältig faltete der Schmied den Zettel zusammen und steckte ihn zurück in die Tasche. Es war ganz still in
der Schmiede. Der Schmied schien alles gesagt zu haben, was zu sagen war: Der Fremde musste zum Kontinent und wieder zurück, aber dahin konnte er nicht kommen. Jedes Kind wusste das. Doch wie der Schmied das gesagt hatte; die Dorfbewohner waren voller Ehrfurcht. Alle wussten, dass der Schmied seine Rede einzig und allein zu Ehren des Fremden gehalten hatte, um den guten Willen und den Diensteifer zu demonstrieren, der nicht nur die Einwohner Smediebys, sondern ganz besonders auch die Einwohner Posthusbys, nicht zu vergessen, kennzeichnete. So großartig hatte der Schmied gesprochen, dass die Dorfbewohner zu klatschen und ausgewählte Bruchstücke der Rede zu wiederholen begannen, nachdem die Worte sich gesetzt hatten.
    »Wir müssen alle mit Herz und Hirn nachdenken! «,

Weitere Kostenlose Bücher