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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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erzählt hatte. Die Wache vor dem Stall wurde abgeblasen; die anderen Kinder hatten das Interesse an dem Fremden verloren und wollten lieber mit ihren Weihnachtsgeschenken spielen.
    Ida-Anna rieb Baltazars Fell nach Leibeskräften mit Stroh ab, und langsam und mit zunehmendem Glänzen des Fells hob sich ihre Stimmung. Was kümmerte es sie, dass sie sich über sie lustig machten? Und was kümmerte es sie, dass sie ihr nicht glaubten? So hatte sie den Weihnachtsmann ganz für sich allein. Ida-Anna arbeitete sich stückweise vorwärts, bis sie genau neben Odin stand, der sich an Rigmaroles Kopf zu schaffen machte. Sieh mal an, jetzt hatte sie die Gelegenheit dem Weihnachtsmann zu erzählen, wie sehr sie sich ein eigenes Pferd zu Weihnachten wünschte. Aber zuerst musste sie daran denken zu schwören, dass sie den richtigen Namen des Weihnachtsmannes
keinem Erwachsenen verraten würde. Ida-Anna hob ihre rechte Hand.
    »Nie, nie, nie werde ich ein Wort zu jemandem sagen. Nie, nie, nie, sonst lande ich in der Schlange Magen«, sagte sie aufrichtig.
    Merkwürdige Gewohnheiten haben sie an diesem Ort, dachte Odin. Und da er sich höflich und korrekt verhalten wollte, hob er, genau wie er gestern fröhliche Weihnachten gewünscht hatte, als die Dorfbewohner das getan hatten, und genau wie er die Weihnachtslieder mitgesungen hatte, obwohl er die Worte nicht kannte, jetzt seine rechte Hand und wiederholte den Eid der Urururgroßmutter der alten Rikke-Marie. Ida-Anna lachte; sieh mal an, als hätte sie nicht die ganze Zeit Recht gehabt. Doch gerade als sie dem Weihnachtsmann von ihrem Wunsch erzählen wollte, tauchte ihre Mutter in der Stalltür auf und sagte, dass das Mittagessen fertig sei.
     
    Am gleichen Abend kam der Schmied wieder zu Besuch zu Mutter Marie, gefolgt von der alten Rikke-Marie, die beschlossen hatte, dass sie einmal auch zu der Welt kommen konnte, wenn die Welt nicht zu ihr kommen wollte.
    »Hm, hm«, räusperte sich der Schmied und kaute auf dem Mundstück seiner Pfeife. »Hm, hm, Herr Odin, ich möchte nicht unliebenswürdig sein, aber ich bin äußerst froh, Ihnen sagen zu können, dass alles für Ihre Abreise bereit ist.« Der Schmied streckte den Rücken, um zu unterstreichen, dass er die Situation voll im Griff hatte. »Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, können Sie sicher morgen früh bei dem allerersten Zeichen des Tagesanbruchs aufbrechen, Herr Odin.«
    Odin dankte dem Schmied und sagte, dass er den Einwohnern Smediebys und den Einwohner Posthusbys, nicht zu vergessen, immer dankbar sein werde. Dann erwog er, sich zu erkundigen, welche Maßnahmen getroffen worden waren, aber da der Schmied von sich aus nichts über die Einzelheiten sagte, wollte Odin nicht so taktlos sein und nach etwas so Unwesentlichem fragen. Jedenfalls hielt die alte Rikke-Marie die Zeit plötzlich für gekommen, den Rest ihrer Geschichte zu erzählen, und ohne Einleitung begann sie dort, wo sie am Abend zuvor aufgehört hatte.
    »Es war ein kalter stürmischer Septembermorgen.«
    Alle drehten den Kopf in Richtung der alten Dame, obwohl sie ausschließlich zu Odin zu sprechen schien. »Richard, der Rotblonde, suchte meine Mutter auf und sagte, dass der Tag gekommen sei. Er küsste sie zum Abschied, versicherte sie seiner ewigen Liebe und versprach bald zurückzukehren. Er glaubte eine Fahrrinne zwischen den Klippen hindurch gefunden zu haben und wollte beweisen, dass es möglich war, zum Kontinent und wieder zurück zu segeln. Niemand weiß, ob er je den Kontinent erreicht hat, aber es ist gewiss, dass er nie zurückgekehrt ist. Und erst nach seiner Abreise verriet meine Mutter, dass sie das erwartete, was eines Tages ich werden sollte.« Die alte Dame lehnte sich im Stuhl zurück und schlief bald ein, überwältigt von ihrer eigenen Geschichte.
    Mutter Marie erhob sich; es war an der Zeit, dass alle ins Bett gingen. Es war bereits später Abend, und Herr Odin hatte eine lange Reise vor sich. Sie zwinkerte dem Schmied zu, als wollte sie dem Fremden vom Kontinent noch einmal versichern, dass er sicher und ruhig schlafen konnte, dass kein Zweifel daran bestand, dass er den Kontinent bis zum Abend des nächsten Tages erreicht haben würde.
     
    Nun traf es sich so, dass in dieser Nacht die größte Kälte nach Smedieby und Posthusby kam, so weit man zurückdenken konnte. Der Dezember war bereits kalt gewesen, kälter als jeder andere, den die alte Rikke-Marie je erlebt hatte. Aber nie war es so kalt gewesen wie in der zweiten

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